Am Rande der heutigen Stadt Dessau-Roßlau, im Stadtteil Ziebigk, liegt das Schloss Georgium eingebettet in einen großflächigen Landschaftspark Georgengarten, der sich bis zum Ufer der Elbe erstreckt. Die Anlage gehört zu den zentralen Bestandteilen des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs und ist neben dem Park von Wörlitz dessen umfangreichste und bedeutendste Schöpfung.
Die Entstehung des Georgiums ist eng mit dem Namen Johann Georg Prinz von Anhalt-Dessau (1748–1811) verknüpft, dem jüngeren Bruder des Reformfürsten Leopold III. Friedrich Franz. In den frühen 1780er-Jahren ließ Johann Georg auf einem sumpfigen Gelände nördlich von Dessau ein klassizistisches Sommerhaus errichten. Für die architektonische Ausführung konnte er den Freiherrn Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736-1800) gewinnen, einen führenden Vertreter des deutschen Frühklassizismus und engen Vertrauten des Fürstenhauses.
Das Hauptgebäude des Schlosses Georgium ist ein klar gegliederter, zweigeschossiger Baukörper mit rechteckigem Grundriss. Es entstand nach den Vorstellungen Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs, der dem klassischen Ideal antiker Baukunst folgte. Die Fassade zeigt eine reduzierte Ornamentik mit toskanischen Pilastern, einem flachen Mittelrisalit, Triglyphenfries und Giebeldreieck. Das Gebäude schließt mit einem Walmdach, das mittig von einem Belvedere bekrönt wird.
Die klaren Proportionen und die zurückhaltende Gestaltung orientieren sich an englischen Landhausvorbildern. Aus dem Jahr 1893 stammen die beiden Seitenflügel, die sich optisch in die Gesamtanlage einfügen, jedoch in ihren Proportionen deutlich als spätere Ergänzungen erkennbar sind. Innen wurde das Schloss mehrfach umgestaltet. Im Zuge der jüngsten Sanierung erhielt das Dachgeschoss neue Ausstellungsräume, die mit moderner Technik ausgestattet wurden.
Parallel zum Bau des Hauses wurde das umliegende Gelände nach englischem Vorbild in einen 21 Hektar großen Landschaftspark verwandelt. Die planerische Umsetzung lag in den Händen des deutschen Gartenarchitekten und Garteninspektors Johann George Gottlieb Schoch (1758-1826) und dem Hofgärtner Johann Friedrich Eyserbeck (1734-1818). Ziel war es, eine Umgebung zu schaffen, in der Natur und Kunst aufeinander abgestimmt wirken sollten. Im südlichen Teil entstand der sogenannte Georgengarten mit gezielt angelegten Sichtachsen und architektonisch gestalteten Staffagebauten. Daran schließt sich nördlich der 97 Hektar große Beckerbruch an, ein weitläufiges, naturnahes Gelände, das durch gartenkünstlerische Eingriffe wie Denkmale und Aussichtspunkte akzentuiert wurde.
Zahlreiche Bauten prägen das Erscheinungsbild des Parks bis heute. Dazu zählen unter anderem ein als Fremdenhaus bezeichnetes Nebengebäude, ein klassizistisch gestalteter Rundtempel nach ionischem Vorbild, Fragmente antiker Torbauten, das Denkmal für Fürst Franz in antikisierender Kleidung sowie die künstliche Ruinenarchitektur der Wallwitzburg. Letztere und der nahegelegene Elbpavillon dienen als landschaftlich eingebundene Aussichtspunkte mit weitem Blick in die Elbaue.
Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wurde das Schloss Georgium für eine neue Nutzung innerhalb der fürstlichen Familie vorbereitet. Anlass war der Einzug der verwitweten Erbprinzessin Elisabeth Alexandra Marie Charlotte Louise, geborene von Hessen-Kassel (1861–1955), die nach dem frühen Tod ihres Ehemanns Leopold Friedrich Franz Ernst, Erbprinz von Anhalt-Dessau (1855–1886), einen dauerhaften Witwensitz benötigte. Elisabeth war eine Tochter des Landgrafen Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel und stand durch ihre Heirat mit dem Hause Anhalt in verwandtschaftlicher Nähe zu mehreren europäischen Herrscherhäusern.
Als sie in den 1890er-Jahren in das Georgium einzog, entsprach das bestehende klassizistische Landhaus nicht mehr den Anforderungen an eine fürstliche Witwenresidenz. Zwischen 1894 und 1896 wurde der Bau daher maßvoll erweitert. Zwei symmetrische Seitenflügel ergänzten den kubischen Hauptbau. Diese fügten sich äußerlich in die bestehende Architektur ein, erhöhten jedoch die Wohnfläche erheblich. Die Maßnahme steht exemplarisch für den Wandel in der Nutzung und Wahrnehmung klassizistischer Bauten im ausgehenden 19. Jahrhundert vom idealisierten Sommerschloss der Aufklärung zum komfortablen Wohnsitz des Hochadels.
Elisabeth bewohnte das Schloss über mehrere Jahrzehnte hinweg. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte sie dort weiterhin zurückgezogen, blieb jedoch mit dem Haus Anhalt verbunden. Die Erbprinzessin verstarb 1955 im Alter von 94 Jahren in einer Villa.
Nach dem Ende der Monarchie ging das Schloss in den Besitz des Freistaates Anhalt über. In der DDR wurde das Gebäude unter anderem als Kinder- und Jugendhaus der Pionierorganisation genutzt. Eine geplante Pioniereisenbahn, die durch den Park führen sollte, wurde jedoch nicht realisiert.
Ab 1959 fand das Georgium eine neue Bestimmung als Standort der Anhaltischen Gemäldegalerie. Die Sammlung hatte zuvor im klassizistischen Palais Reina ihren Sitz, das jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Wurzeln der Galerie reichen zurück in das 18. Jahrhundert: 1793 hatte Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau (1720-1793) eine Kunststiftung begründet, deren Werke zu den ältesten Teilen der Sammlung zählen. In den 1920er-Jahren wurde die Sammlung durch Ankäufe des Freistaates Anhalt zur Basis eines Landesmuseums ausgebaut.
Während des Zweiten Weltkriegs veranlasste die Museumsleitung der Anhaltischen Gemäldegalerie die Auslagerung eines großen Teils der Kunstwerke in das Kalibergwerk Solvayhall bei Bernburg, um sie vor möglichen Kriegsschäden zu schützen. Trotz dieser Maßnahme kam es zu erheblichen Verlusten. Einige Werke wurden nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen von US-Soldaten entwendet und später auf dem internationalen Kunstmarkt, insbesondere in den Vereinigten Staaten, gehandelt.
Noch gravierender waren jedoch die Eingriffe der sowjetischen Besatzungsmacht. Im Juli 1945 beschlagnahmte die sogenannte Trophäenkommission der Roten Armee einen großen Teil der verbliebenen Sammlung. Im April 1946 wurden insgesamt rund 800 Gemälde und etwa 17.000 grafische Blätter in die Sowjetunion verbracht. Der Abtransport umfasste sowohl Handzeichnungen als auch Druckgrafik und stellte einen der schwersten Verluste für die Sammlung dar.
In den Jahren 1958 und 1959 kehrten Teile des Bestandes zurück. Insgesamt wurden etwa 600 Gemälde, 1.000 Zeichnungen und 10.000 druckgrafische Blätter restituiert. Viele andere Werke gelten seither als verschollen oder befinden sich weiterhin in russischen Museumsbeständen. Da der ursprüngliche Sitz der Galerie, das klassizistische Palais Reina in der Innenstadt von Dessau, im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört worden war, suchte man nach einem neuen Standort. Im Jahr 1959 wurde das Schloss Georgium für die Nutzung als Museum ausgewählt. Mit dem Einzug der Anhaltischen Gemäldegalerie begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Hauses.
Im Januar 2015 wurde das Museum durch den Deutschen Kulturrat auf die Rote Liste Kultur gesetzt. Es wurde in die Kategorie zwei eingestuft, was eine akute Gefährdung bedeutete. Die baulichen und klimatischen Bedingungen genügten weder musealen noch denkmalpflegerischen Ansprüchen. Die technische Ausstattung war veraltet, viele Räume nicht ausstellungsfähig und das historische Gebäude wies erhebliche strukturelle Mängel auf. Besonders problematisch war die Tatsache, dass das Schloss ursprünglich ohne echtes Fundament auf verdichtetem Schwemmsand errichtet worden war.
In einem umfangreichen Restaurierungsprojekt wurde das Gebäude ab dem Jahr 2017 vollständig saniert. Die Maßnahmen umfassten neben der statischen Sicherung die Errichtung eines modernen Depotbereichs, die Installation einer hochleistungsfähigen Klimatisierung sowie die denkmalgerechte Ausstattung aller Ausstellungsräume. Im Zuge der Sanierung entstanden neue Präsentationsflächen im Dachgeschoss. Eine zeitgemäße Beleuchtung, moderne Sicherheitstechnik und ein hoher konservatorischer Standard ermöglichen seither die dauerhafte Präsentation empfindlicher Werke.
Mit der Wiedereröffnung im Jahr 2023 kehrte die Anhaltische Gemäldegalerie in vollständig erneuerter Form in das Schloss Georgium zurück. Heute zeigt sie einen bedeutenden Bestand deutscher und niederländischer Malerei vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Das Museum bewahrt rund 1.800 Gemälde sowie mehr als 18.000 Arbeiten auf Papier. Zu den herausragenden Positionen zählen Werke von Lucas Cranach dem Älteren, Johann Friedrich August Tischbein, Albrecht Dürer und Wassily Kandinsky. Die Sammlung geht auf die 1793 begründete Amalienstiftung der Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau zurück und wurde in den 1920er-Jahren durch den Freistaat Anhalt systematisch erweitert. Bis heute spiegelt die Galerie die kunstfördernde Haltung des Hauses Anhalt auf eindrucksvolle Weise wider.
Mit dem Schloss Georgium und seiner Parkanlage besitzt das Gartenreich Dessau-Wörlitz ein weiteres Zeugnis jener Epoche, in der Architektur, Gartenkunst und Bildung als Einheit gedacht und realisiert wurden. Der heutige museale Betrieb im Schloss knüpft an diese Tradition auf zeitgemäße Weise an. Seit dem Jahr 2000 ist das Ensemble als UNESCO-Welterbe anerkannt. Ursprünglich außerhalb der Stadtgrenzen der Residenz Dessau angelegt, liegt das Georgium heute nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.