Gutshaus Stilow @ Historische Häuser

Gutshaus Stilow in Mecklenburg-Vorpommern

Zwischen Greifswald und Wolgast, eingebettet in die weite Landschaft Vorpommerns, liegt das Gutshaus Stilow. Das Gutshaus mit seinen Wirtschaftsgebäude prägte einst das Gutsdorf und verfällt seit einigen Jahren.

Stilow wurde 1248 als „Stylogh“ erstmals urkundlich erwähnt, als Herzog Wartislaw III. das Dorf dem Kloster Eldena übertrug. Über zwei Jahrhunderte verblieb es im Besitz des Klosters. Schon vor dieser Zeit hatte es hier sechs slawische Siedlungen gegeben, deren Überreste in der angrenzenden Feldmark nachweisbar sind. Im Jahr 1402 verpfändeten die Herzöge Barnim VI. und Wartislaw VIII. dem Ratsherrn Johann Wodarge und Henning Rose die Abgaben Bede, Hundekorn und Hebenbungen aus Stilow und weiteren Dörfern für 1225 Mark.

Nach der Loslösung vom Klosterbesitz im Jahr 1480 ging Stilow in landesherrliche Verwaltung über. In diese Epoche fällt die Zeit der Herzogin Sophia von Pommern (1435–1497), Tochter von Herzog Bogislaw IX. und Maria von Masowien. Sie war seit 1451 mit Herzog Erich II. von Pommern-Wolgast verheiratet und erbte nach dem Tod ihres Onkels Erich I. im Jahr 1459 dessen Besitzungen sowie bedeutende Schätze. Die Ehe mit Erich II. galt als konfliktreich, die Überlieferung beschreibt Sophia als herrschbegierig und eigensinnig. Nach dem Tod ihres Gemahls im Jahr 1474 führte sie die Verwaltung eigenständig fort. 1483 setzte die Herzogin unter anderem das Dorf Stilow in Pfand. Sie starb 1497 in Stolp und wurde dort im Dominikanerkloster bestattet.

Nach der Zeit im Besitz des Klosters und der Greifenherzöge wurde Stilow dem benachbarten Gut Brünzow zugeordnet und blieb fortan eng mit dessen Geschichte verbunden. Brünzow war 1299 von Herzog Bogislaw IV. ebenfalls an das Kloster Eldena übergeben worden. Im 15. Jahrhundert saß dort die Familie Dowet, die 1406 belegt ist, als Marquard Dowat eine Pachtsumme an die Bruderschaft Maria Magdalena in Greifswald verkaufte. Um 1500 starb das Geschlecht in Brünzow aus.

Im 16. und 17. Jahrhundert gehörten Brünzow und Stilow zum herzoglichen Amt Wolgast und gingen 1609 in den Besitz von Otto II. von Wakenitz über, herzoglicher Hofjunker bei Bogislaw XIII. Er übernahm den hoch verschuldeten Besitz Ludwigsburg von der Prinzessin Sophia Hedwig von Braunschweig-Wolfenbüttel (1561–1631), Herzogin von Pommern-Wolgast. Die Eigentumsrechte blieben bei der herzoglichen Familie. Ein Inventar von 1615 weist die Zugehörigkeit nach.

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gehörten Brünzow und Stilow zum Besitz des Gutes Ludwigsburg. Im Jahr 1801 veräußerte der Besitzer von Ludwigsburg, der Obristleutnant in schwedischen Diensten Friedrich Ernst Sebastian von Klinkowström (1735–1821), die Pertinenzen Loissin, Brünzow und Stilow an die Gebrüder von Vahl aus Greifswald. Die Familie von Vahl, namentlich Balzer Peter von Vahl (1755–1825), war fortan Gutsherr auf Stilow.

Balzer Peter von Vahl der Jüngere, Kaufmann, Gutsherr und Kommerzienrat, war einer der Gründer der Greifswalder Schiffergesellschaft und ein bedeutender Bürger der Hansestadt. Mit seiner Frau Sophia Carolina Schevenius (1765–1829) hatte er mehrere Kinder, darunter Caroline (1785–1838), die den späteren Bürgermeister von Greifswald, Carl Gesterding, heiratete. Der Sohn Carl von Vahl führte den Besitz auf Gahlkow weiter und engagierte sich in der Greifswalder Bürgerschaft.

Von etwa 1817 bis 1823 befand sich das Rittergut Stilow im Besitz der Familien von Vahl und von Fentzahn. Danach ging das Gut in den gemeinschaftlichen Besitz der Erben Balzer Peter von Vahl des Jüngeren und Johann Melms mit seiner Ehefrau Friederike über. Am 29. Mai 1841 kam es zur öffentlichen Versteigerung der Allodialgüter Stilow und Brünzow. Den Zuschlag erhielt die Familie Melms, die jedoch nur wenige Jahre blieb und am 20. und 21. Juni 1854 beide Güter erneut versteigerte, diesmal mitsamt lebendem und totem Inventar. Neuer Besitzer wurde Heinrich Peters, der die Bewirtschaftung in der Mitte des 19. Jahrhunderts übernahm. Ab März 1859 war Brünzow an W. Geerds verpachtet; 1872 wechselten Stilow und Brünzow erneut den Besitzer. Neuer Inhaber wurde der Kommerzienrat Wallis aus Wolgast. Das Dorf Stilow umfasste 1865 sieben Wohn- und sieben Wirtschaftsgebäude.

Das Gutshaus Stilow, ein zweigeschossiger, siebenachsiger Putzbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, repräsentiert den klassizistischen Bautyp vieler vorpommerscher Gutshäuser. Mit seiner klar gegliederten Fassade und dem schlichten, zugleich würdevollen Erscheinungsbild bildete es das Zentrum einer auf Landwirtschaft ausgerichteten Gutsanlage. Statistiken von 1870 dokumentieren die Wirtschaftsweise: 37 Pferde, 53 Rinder und 1066 Schafe belegen den vielseitigen Betrieb auf einer Fläche von 365 Hektar. Das Gut verfügte über Vorwerkshof, Stallungen und Scheunen, die der Eigenversorgung und Bewirtschaftung der Pachtflächen dienten, und prägte mit seinem markanten Hof sowie den für die Region typischen Katenzeilen das Bild eines klassischen pommerschen Gutsdorfes.

Otto Wallis stammte aus einer traditionsreichen Reederfamilie, deren Mitglieder auf allen Weltmeeren handelten und ihre Reederei in Burgas/Bulgarien und Wolgast betrieben. Mit Schiffen, die Getreide nach England brachten und von dort Kohle nach Südamerika führten, hatte die Familie Wohlstand erworben, von dem die Güterkäufe finanziert wurden. Otto Wallis heiratete Else Donath, deren Familie Großgrundbesitzer in Pommern war. Ab 1939 wurde Else Wallis Gutsherrin in Stilow.

Am 11. Mai 1922 heiratete auf Stilow Paul-Gerhard Will (1898–1981) die Tochter des Hauses Ingeborg Wallis (1903–1971). Das Paar bekam dreizehn Kinder. Paul-Gerhard Will war im Ersten Weltkrieg als Fähnrich im 141. Infanterieregiment Kulm eingesetzt und erhielt nach schweren Verwundungen das Eiserne Kreuz I. Während des Zweiten Weltkriegs diente er bis zum Major. Ingeborg brachte als Erbin Brünzow in die Ehe, während ihr Bruder Karl Johann Wallis das Gut Stilow führte.

Mit dem Einmarsch der Roten Armee im April 1945 begann die dramatische letzte Phase der Gutsherrschaft. Zeitzeugen berichten, dass am 8. Mai 1945 ein sowjetischer Offizier im Gutshaus Stilow der Familie mitteilte, der Krieg sei zu Ende. Kurz darauf folgte die Bodenreform, die die Enteignung aller Großgrundbesitzer verfügte. Am 1. Oktober 1945 musste Ingeborg Will mit ihren Kindern das Gut Stilow verlassen. Ihr Mann befand sich zu dieser Zeit noch in französischer Gefangenschaft. Damit endete die Zeit der Familie Will in Stilow. Der Familie blieben nur wenige Stunden, um das Nötigste zusammenzupacken, bevor sie zunächst nach Stralsund, später nach Rostock und Lübeck gebracht wurde. Der Lastenausgleich der Bundesrepublik bot in den 1950er- und 1960er-Jahren eine gewisse Entschädigung, mit deren Hilfe in Verden ein neues Zuhause errichtet wurde.

Mit der Enteignung nach 1945 veränderte sich Stilow grundlegend. Das Land wurde aufgeteilt, die Wirtschaftsgebäude von Neubauern übernommen und umgebaut. In der DDR-Zeit entstand eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft: Flächen wurden neu vermessen, Sümpfe trockengelegt und große Ackerflächen geschaffen, die kollektiv bewirtschaftet wurden. Das Gutshaus wurde in Wohnungen aufgeteilt und zeitweise schulisch genutzt.

Mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 eröffneten sich Möglichkeiten zur Rückübertragung enteigneter Güter. Auch Stilow gehörte zu den Anwesen, für die Ansprüche angemeldet wurden. Doch die rechtlichen und wirtschaftlichen Hürden waren hoch. Die Flächen waren inzwischen in landwirtschaftliche Genossenschaften eingebunden, umgewandelt in GmbHs und an neue Eigentümer übergegangen. Rückübertragungen scheiterten häufig an bereits erfolgten Entschädigungszahlungen oder an komplexen Eigentumsverhältnissen.

So blieb Stilow auch nach 1990 außerhalb der Hände der früheren Besitzerfamilie. Die Erinnerung an das Gut jedoch blieb lebendig. In den Erzählungen der Familie verbindet sich die Geschichte von Wohlstand und Verlust, von Flucht, Neubeginn und der bleibenden Verbundenheit mit der pommerschen Heimat.

Seit einigen Jahren steht das Gutshaus leer und verfällt, während der Park verwildert. Einige Wirtschaftsgebäude sind bis heute erhalten.

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