Villa Baltic / Villa Hausmann © Historische Häuser | Alte Häuser

Villa Baltic | Hausmann in Mecklenburg-Vorpommern

Direkt an der Strandpromenade von Kühlungsborn steht die mondäne, neobarocke Villa Baltic, bzw. Villa Hausmann, und zieht viele Besucher des Ostseebads in ihren Bann. Die Villa Baltic ist ein Haus mit einer wechselhaften und besonderen Geschichte, in der die Villa dreimal enteignet wurde: zunächst von den Nationalsozialisten, dann von der russischen Besatzungsmacht und später von der DDR.

Um die Jahrhundertwende kauften der Berliner Rechtsanwalt und Notar Wilhelm Hausmann (12. September 1856 – 1921) zusammen mit seiner Ehefrau Margarete, geb. Frank (4. Juni 1863 – 1929), ein Stück Bauland direkt am Strand in Arendsee, dem späteren Kühlungsborn. Arendsee war zu dem Zeitpunkt ein beliebter Ferienort für jüdische Familien. Auch das jüdische Ehepaar Hausmann verbrachte dort die Sommerzeit. Sie verwandelten 38.000 Quadratmeter des erworbenen Grundstücks in einen Park um. Von 1910 bis 1912 wurde die prachtvolle, zweigeschossige Villa im neobarocken Stil von dem Architekten Alfred Krause erbaut. Krause war der Schwager von Paul Johannes Adolf Korff, beide teilten sich über einige Jahre zusammen eine Bürogemeinschaft. Die Baukosten des Gebäudes beliefen sich auf 2,5 Millionen Goldmark. Die Villa Hausmann entstand als Putzbau mit Mansardenwalmdach und neobarocker Fassade. Im Inneren der Villa glänzte der Marmor, und von außen dominierte sie  mit einer säulengestützten Veranda, Erkern, Türmchen und einem reich verzierten Giebel an der Promenade. Das Treppenhaus beeindruckt mit einem Glasdach, und die Freitreppe besteht aus rotem Granit. Das Ehepaar blieb kinderlos, und damit vermachte Margarete Hausmann die Villa später der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Am 28. Juni 1931 eröffnete der Rabbiner Leo Baeck ein Erholungsheim und einen Treffpunkt der im Jahr zuvor gegründeten „Akademischen Gesellschaft Hausmann-Stiftung“  in der Villa für jüdische Akademiker. Das Erholungsheim wurde von Dr.  Herta Marcuse geleitet.

1933 begann die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. In Arendsee begannen Hetzkampagnen, und die Nazis begannen damit, Arendsee „judenrein“ zu machen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf das „Judenschloss“ der Villa Hausmann gelegt: Zunächst wurden Fensterscheiben zertrümmert, und später wurde die Villa dann enteignet. Am 30. Juli 1937 wurde die jüdische Villa Hausmann der Joseph-Goebbels-Stiftung für Bühnenschaffende an die Reichstheaterkammer für 20.000 Reichsmark überlassen. Auf dem Dach wehte die Hakenkreuzfahne. Im gleichen Jahr wurden die Orte Arendsee und Brunshaupten-Fulgen zusammengelegt, und die Stadt erhielt am 1. April 1938 den Namen Ostseebad Kühlungsborn. Die Goebbels-Stiftung zerstörte alle Elemente des vorherigen Eigentümers, unter anderem 1938 die Grabpyramide der Hausmanns im Park, deren Bilder und Bücher. Die sterblichen Überreste der Hausmanns wurden von der Israelitischen Gemeinde Rostock auf den Jüdischen Friedhof in Rostock umgebettet.

1945 wurde in der Villa kurzzeitig ein sowjetisches Lazarett untergebracht. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Villa Hausmann mehrfach geplündert, und sie sollte ab dem 4. Februar 1946 als Erholungsheim genutzt werden. Die Stadt Kühlungsborn wollte wiederum den Keller als Klassenräume nutzen. Die Jüdische Landesgemeinde erhielt die Villa im Rahmen der Restitution 1948, veräußerte sie jedoch direkt an die Sowjetunion am 7. Mai 1950 für 62.500 DM, da der Landesgemeinde das Geld für die nötigen Renovierungen fehlte. Die Stadt Kühlungsborn war ebenfalls nicht in der Lage, die Villa trotz Vorkaufsrechts zu erwerben. Im November 1953 ging die Villa in Volkseigentum über. Die Villa wurde nun als Ferienheim „Kurt-Bürger-Erholungsheim“ des „Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes“ (FDGB) für werktätige DDR-Bürger genutzt. Von 1969 bis 1972 wurde eine Meerwasserschwimmhalle erbaut, die mit der Villa Baltic verbunden war. Ein Restaurant, Café, eine Bar und eine Disco wurden im ersten Stock untergebracht. Aus der Villa Hausmann wurde die Villa Baltic. Während der Wende musste der FDGB wegen ausbleibender staatlicher Gelder Insolvenz anmelden, und die Villa Baltic schloss 1991. Die Vermögensverwaltung übernahm die Treuhand. Die Stadt Kühlungsborn erwarb am 19. Oktober 1994 die Villa Baltic von der Treuhand. Nach der Wende wurde die Villa Baltic am 1. November 2000 an die Conference on Jewish Material Claims against Germany, die früheres Vermögen enteigneter Juden und ihrer Erben geltend gemacht hat, zurückgegeben. 2003 verkaufte die Organisation die Villa an die Contrac-Gesellschaft für Haus- und Grundbesitz mbH Chemnitz für 650.000 Euro. Im gleichen Jahr wurde die Schwimmhalle geschlossen. Neuer Besitzer wurde am 23. Oktober 2009 der Brandenburger Augenarzt Prof. Dr. Mathias Wagner. Seine Pläne, die Villa in ein luxuriöses Hotel mit Schwimmbad umzubauen, scheiterten aus unterschiedlichen Gründen. Die Villa wurde im Jahr 2016 für 1,99 Millionen Euro auf dem Markt angeboten. Durch den Leerstand der Villa kam es zu weiteren Bauschäden und Vandalismus. Die Meeresschwimmhalle wurde 2017 abgerissen.

2019 erwarben die Oldenburger Jan und Berend Aschenbeck, von  Aschenbeck & Aschenbeck Projektentwicklung GmbH, die baufällige Villa für zwei Millionen Euro. Zusammen mit der Stadt Kühlungsborn soll die Villa in das Gewerbeprojekt „Baltic Arkaden“ umgebaut werden. Vermutlich wird sich die Sanierung auf mindestens 15 Millionen Euro belaufen. Dort, wo einst die Schwimmhalle stand, soll ein Hotel mit 120 Zimmern entstehen. Trotz des hohen Verfalls ist die Villa ein mehr als beeindruckendes Gebäude und fasziniert viele Touristen von  Kühlungsborn. Erste Sicherungsmaßnahmen sind mittlerweile erfolgt. Die Villa muss kernsaniert werden, der Dachstuhl von Schadstoffen befreit und der Hausschwamm entfernt werden. Bis 2025 sollte die Villa ursprünglich fertig saniert werden.

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