Zwischen Ribnitz-Damgarten und Stralsund steht das neugotische Gutshaus Karnin. Der Landschaftspark stammt aus der Feder von Peter Joseph Lenné. Karnin gehörte zu den größten Gütern in Vorpommern.
Am 15. September 1242 wurde Karnin erstmalig erwähnt, als der Rügenfürst Witzlaw I. den Ort an den Magister Iwanus, den Stammvater des Geschlechts derer von Starkow, verkaufte. Im 15. Jahrhundert gehörte Karnin der Familie Krasewitz/Krakevitz. Am St. Martinstag 1497 verkaufte der herzoglich pommersche Vogt zu Stralsund und Lehnsherr von Divitz, Hans Krasewitz/Krakevitz, eine Pacht von 13 Mark aus Karnin an die Nicolaikirche zu Stralsund. Während der Belagerung Stralsunds im Jahr 1628 wurde auch Karnin geplündert und verwüstet; zum Ende des Dreißigjährigen Krieges ein weiteres Mal. 1648 fiel der Ort in die schwedische Regentschaft unter Königin Christina. Der Karniner Forst wurde vom schwedischen Militär als Schießplatz genutzt; der Kugelfangwall ist noch immer sichtbar. Durch die direkte Lage am Landweg zwischen den Hansestädten Rostock und Stralsund blühte das Dorf schnell wieder auf.
1759 gehörte Gut Karnin dem Hauptmann Bernhard Ludwig von Sodenstern-Karnin. Ludwig Bernhard von Sodenstern hinterließ seiner Frau, seinem Sohn Friedrich Wilhelm von Sodenstern und den beiden Töchtern das Gut. Bereits 1799 erhielt die Familie von Sodenstern einen Lehnanwartschaftsbrief von der Krone Schwedens. 1809 kamen die Schillschen Jäger sowie weitere Militärzüge durch Karnin, die während des fünften Koalitionskrieges gegen Napoleon Bonaparte kämpften. 1815 ging Schwedisch-Pommern und damit auch Karnin an Preußen.
Der Hofmarschall und Oberjägermeister a. D. Friedrich Wilhelm von Sodenstern begann um 1860 mit der Überformung des Herrenhauses im neugotischen Stil. Der eingeschossige Putzbau mit Mezzaningeschoss und Satteldach, das einst mit Schiefer eingedeckt war, umfasste ursprünglich neun Achsen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es um einen zweigeschossigen, quadratischen Block mit Walmdach erweitert. Sowohl zur Hof- als auch zur Parkseite wurde dieser risalitartig vorgezogen. Hinzu kam ein weiterer Vorbau, der noch auf einen Fialturm verweist, welcher später als Schornstein umgebaut wurde. Der Eingangsbereich ist ein dreiachsiger Mittelrisalit, der ebenso wie das Gutshaus auf einem hohen Kellergeschoss erbaut wurde. Zum Eingang führt eine zweiläufige Freitreppe. Im Herrenhaus gab es 26 Zimmer, die mit wertvollem Interieur eingerichtet waren. Allein die Bibliothek umfasste 10.000 Bücher. In einem der Zimmer gab es einen Kachelofen aus Meißener Porzellan.
Friedrich Wilhelm von Sodenstern verstarb 1847 kinderlos, das Erbe ging an seinen Neffen August Heinrich von Pachelbel-Gehag (1795–1857), einen Sohn von Marie Charlotte von Sodenstern und Heinrich Christian Friedrich von Pachelbel-Gehag (1763–1838), Kanzler in Schwedisch-Pommern und erster Regierungspräsident im preußischen Regierungsbezirk Stralsund. Das Rittergut Karnin umfasste 1.300 Hektar Land und war eines der größten Güter in Vorpommern. Zum Gut gehörten die Dabitzer Wiese, zwei Bauernhöfe sowie die Barther Oie, eine Insel.
August Heinrich war im Laufe seiner Karriere nicht nur deutscher Offizier, sondern auch Forstrat und Oberforstbeamter im Regierungskollegium in Stralsund, sowie Chef des Hofjagdamtes beim preußischen König Friedrich Wilhelm IV. So kam es, dass der König im August 1853 an einer Jagd in Karnin teilnahm. Bereits 1840 hatte August Heinrich für den König den Wildpark in Potsdam und eine Fasanerie am Neuen Palais geplant. Der König schenkte dem Oberjägermeister zwei Bronzehirsche, die den Eingang des Guts schmückten.
Aus der Ehe von August Heinrich mit Charlotte Agnese Helene von Ascheraden gingen fünf Kinder hervor. Der älteste Sohn, der königliche Rittmeister und Ehrenritter des Johanniterordens Friedrich Philipp Wolfgang von Pachelbel-Gehag, erbte das Gut Karnin. Im November 1872 überflutete das Land rund um Karnin, da die Deiche bei einem starken Sturm brachen. Der Schlosspark, dessen Ursprünge bei den von Sodensterns lagen, wurde 1858 vom Landschaftsgärtner Peter Joseph Lenné neu angelegt. Zwei Teiche wurden geschaffen, indem der Bach Ulenbäk vertieft wurde. Im Herbst 1876 erwarb der damalige Jurastudent Wilhelm Heinrich Henning für 771.000 Mark das große Gut.
Die Familie Henning, wohlhabende Grundbesitzer, erweiterte das Gut stetig. Ab 1906 kamen weitere Gutsarbeiterhäuser hinzu, später eine Schule mit Gaststätte. 1907 wurde der Marstall aus Backstein, ebenfalls im neugotischen Stil mit Zinnenkranz und achteckigen Säulen an den Gebäudeecken, erbaut. Der Giebel der Schmalseite trägt ein Storchennest. Im Laufe der Jahre wurde der Marstall wohl erhöht, und aus dem Zinnenkranz wurde ein Fries.
Später erbte Wilhelm Gustav Christian Henning (1884–1942) das Gut. Zusammen mit seiner Ehefrau Renate (1904–1946), geb. Musculus, bewirtschaftete er 1.019 Hektar Land und bekam acht Kinder. Wilhelm Gustav verstarb 1942 mitten im Zweiten Weltkrieg an Lungenkrebs. Seine Witwe blieb mit den Kindern auf dem Gut, bis sie im Herbst 1945 durch die Bodenreform enteignet wurden. Der älteste Sohn Hans Henning war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt. Renate starb an einem Hungerödem im Frühjahr 1946.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam die Rote Armee am 1. Mai 1945 nach Karnin und plünderte das Herrenhaus. Auch die bronzenen Hirsche wurden mitgenommen – sie sollen sich heute in einem Park in Moskau befinden. Vieles der wertvollen Einrichtung wurde zerstört, einige Kunstwerke gestohlen. Bei einer Sprengung wurde der Turm des Herrenhauses beschädigt.
Nach dem Krieg verfiel das ehemals erfolgreiche Gut. Die landwirtschaftlichen Flächen gingen an die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) und das Volkseigene Gut (VEG). Stallungen und weitere Gebäude wurden teilweise abgerissen. Im Herrenhaus wurden zunächst Flüchtlinge untergebracht, später wurde es in einzelne Wohnungen umgewandelt. Während der DDR-Zeit wurde das Herrenhaus mit der Gutsanlage unter Denkmalschutz gestellt. In den 1950er Jahren wurden die Reste des Turms abgetragen. 1975 erhielt das Herrenhaus ein neues Ziegeldach, wobei die Zinnen entfernt und das Haus „purifiziert“ wurde. Im Mittelrisalit blieben die spitzbogigen Fenster und Türen erhalten. Die Gebäudeecken lassen noch die damaligen Fialtürme vermuten.
Durch den einstigen Park führt heute die B105, die die beiden Teiche voneinander trennt. Aktuell steht das Gutshaus leer. Der ehemalige Kutschenstall mit Storchennest wurde teilweise saniert und ist bewohnt. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde eine Rückübertragung an die damaligen Besitzer abgelehnt. Ab 1998 befand sich das Gut im Besitz der Gemeinde. Die heutigen Eigentümer sind unbekannt.