Gutshaus Jennewitz @ Historische Häuser

Gutshaus Jennewitz in Mecklenburg-Vorpommern

Kurz vor dem Landschaftsschutzgebiet Kühlung steht das Gutshaus Jennewitz, ein norddeutscher Backsteinbau mit neugotischen Zügen. Der Ort grenzt an die Endmoränenlandschaft südlich von Kühlungsborn an. Die Kühlung, ein bewaldeter Höhenzug mit tief eingeschnittenen Tälern und Senken, prägt die Umgebung des Ortes und gehört zu den markantesten Landschaften an der mecklenburgischen Ostseeküste. Reste der einstigen Gutsanlagen verweisen noch heute auf Jennewitz’ frühere Bedeutung als Mittelpunkt eines Domanialhofes, der über Jahrhunderte das Dorfleben bestimmte.

Jennewitz wurde in der Überlieferung des Mittelalters mehrfach unter alten Schreibweisen genannt. Die frühesten Nennungen lauten Bojanewiz und Boianeviz und reichen bis in das Jahr 1192 zurück. In dieser Urkunde bestätigte Herzog Heinrich Borwin I. dem Zisterzienserkloster Doberan den Besitz mehrerer Dörfer, darunter auch Jennewitz, das damals unter dem Namen Bojanewiz genannt wurde. Das Dorf gehörte damit zu den frühesten Schenkungen an das Kloster Doberan, das seit seiner Gründung 1171 systematisch Land zur Versorgung seiner Gemeinschaft erwarb. 1312 hieß der Ort Janeviz. Jennewitz blieb bis zur Säkularisation 1552 in klösterlichem Besitz und wurde anschließend als Domanialgut unter landesherrliche Verwaltung gestellt.

Nach der Auflösung des Klosters ging das Gut in die Verwaltung des Amtes Doberan über. In den ersten Jahrzehnten nach 1552 wurde Jennewitz regelmäßig verpachtet. Die Akten des 16. und 17. Jahrhunderts belegen wiederkehrende Verpachtungen, Inventuren und Streitigkeiten. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde der Hof von wechselnden Pächtern geführt, darunter Jochim Schultzen und Jochim Tiden. Während des Dreißigjährigen Krieges war der Hof zeitweise verpfändet und verwüstet. 1647 wurde er gemeinsam mit Lambrechtshagen an den königlichen Oberstleutnant und Schorrentiner Gutsherrn Arendt (Arndt) von Levetzow für 50 Jahre verpfändet, der ihn in den Kriegsjahren verwaltete. Nach den Verwüstungen des Krieges lag die Hofstelle 1648 teilweise wüst, bevor sie 1685 durch die Reluition von den Levetzower Erben wieder an den Landesherrn fiel.

Im 18. Jahrhundert hatte Jennewitz weiterhin den Status eines Domanialgutes. Die Pächter wechselten in regelmäßigen Abständen: ab 1712 Johann Christian Steinbecken, 1720 Jochim Lange, ab 1748 Adam Zarnekow (Zarneckow), ab 1773 Hinrich Freund. Von 1777 bis 1789 führte Jochim Christian Freund (1740–1836) zusammen mit seiner Ehefrau Anna Catharina Pohl den Hof. Zu dieser Zeit gehörten zum Besitz das Gutshaus, eine Windmühle, Stallungen und Wirtschaftsgebäude. Mit der Ablösung der Frondienste in den Domanien um 1790 veränderte sich das bäuerliche und gutsherrliche Verhältnis nachhaltig. Auch in Jennewitz wurde die Pachtlaufzeit auf 21 Jahre festgesetzt, um wirtschaftliche Stabilität zu schaffen. In diesem Zuge blieb das Gut in den Händen der Familie Freund, deren Vertreter als Pensionär für die neue Pachtperiode eingesetzt wurde. Bereits 1804 wurde die Brandgefährdung des Gutshauses festgestellt.

Im 19. Jahrhundert begann eine kontinuierlichere Entwicklung des Gutes. Von 1789 an war Gottfried Cord Gronow (1750–1829) Pensionär von Jennewitz. Seine Ehefrau war Christiane Regina Catharina Freund, die Tochter von Jochim Christian Freund. Im Juni 1810 verfügte der Herzog über die Abmeierung des Pächters Gronow und die Einsetzung des Pensionärs Schönrock. Bereits im August 1810 verpachtete der Herzog den Hof an den Landwirt N. Havemann, zunächst von Johannis 1810 bis Johannis 1811 und sodann über längere Fristen. Als Sicherheit für die Pacht waren 300 Reichstaler zu hinterlegen. Später übernahm Gottlieb Hamann beziehungsweise Havemann die Bewirtschaftung. Nach seinem Konkurs im Jahr 1817 ging der Hof an Carl Wilhelm Maercker (1784–1849) und seine Ehefrau Maria Dorothea, geborene Evers, über, die den Betrieb weiterführten und eine Reihe baulicher Verbesserungen veranlassten. In den 1820er Jahren entstanden ein neues Backhaus sowie Erweiterungen der Stallanlagen. 1831 wurde die Windmühle, die bereits zwischen 1824 und 1827 saniert wurde, mit einem Holländerhaus und Viehstall ergänzt, was auf eine zunehmende Eigenproduktion hinweist.

Wegen Feuchtigkeitsschäden und Hausschwamm wurde das Wohnhaus zwischen 1835 und 1841 umfassend saniert. Das 19. Jahrhundert brachte eine deutliche Ausweitung der Wirtschaftsflächen und der Infrastruktur des Hofes. In den 1840er Jahren verzeichnete die Domanialstatistik neben der Domäne eine Erbmühle und zwei Büdnereien. 1845 erhielt die Jennewitzer Mühle den Status einer Erbmühle. Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste das Gut 224 Hektar Ackerland, zehn Hektar Wiesen sowie rund zwölf Hektar Holzungen und Wasserflächen. 1851 wurde es an den Pächter Wilhelm Ludwig Heinrich Jörges und seine Ehefrau Julie Louise Carolina, geb. Römer, aus Altwendorf vergeben, die den Hof von 1852 bis 1866 bewirtschafteten. 1867 wurde für zwei Jahre Richard Schreiber neuer Pächter.

Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts blieb Jennewitz Domanialgut des Großherzogtums Mecklenburg und wurde wiederholt vermessen und katalogisiert. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kam es zu einer baulichen Neugestaltung. Das heutige Gutshaus wurde vermutlich kurz nach 1872 errichtet, als Helmuth Iven, der bereits 1871 als Pächter genannt wird, das Gut bis 1898 führte. Der Neubau ersetzte ein älteres Herrenhaus und spiegelte den Wohlstand und die Repräsentationsansprüche jener Zeit wider. Die bauliche Investition wird in Verbindung mit den französischen Kriegsreparationen nach dem Krieg von 1870 bis 1871 gebracht. Ab 1898 bis 1914 leitete Carl Julius Bernhard Friedrich Bobsien (1873–1949) zusammen mit seiner Ehefrau Alice Charlotte Margarete Luise, geb. Kirchenpauer von Kirchdorff, die Geschicke des Hofes.

Das Gutshaus Jennewitz ist ein eingeschossiger roter Ziegelbau auf T-förmiger Grundfläche mit einem zweigeschossigen Seitentrakt in neugotischer Gestaltung. Der kompakte Bau steht auf einem Feldsteinsockel; der traufenständige Hauptrakt trägt ein einseitiges Walmdach mit stirnseitigem Giebelaufsatz, der Seitentrakt ein Satteldach. Zur Hoffront und zur Seitenfassade zeigeen sich gotische Giebel, die einst mit kleinen Türmchen an den Spitzen bekrönt waren. Die Fenster des Erdgeschosses sind breiter als im Obergeschoss und mit Segmentbögen versehen. In den Risalitgiebelfeldern und unter der Traufe verläuft ein Konsolenfries, die dortigen Fenster sitzen in kielbogigen Vertiefungen mit Okuliblenden. Zur Hofseite hin befinden sich in der Giebelspitze zwei schmale Luken. Die Fassade wird von farblich abgesetzten Ziegelbändern umlaufen. Der Haupteingang ist verbreitert und über eine breite Freitreppe erreichbar; der Seitentrakt besitzt einen eigenen Zugang. Das Gebäude war ursprünglich zu einem Drittel unterkellert und besaß eine solide Gewölbekonstruktion. Im Inneren befanden sich ein zentraler Saal, Wohnräume und Wirtschaftsbereiche.

Das Kataster von 1895 verzeichnete das Gut weiterhin als Domanialhof mit Wohnhaus, Scheune, Stallungen, Speicher, Mühle und Büdnereien. Ab 1917 wird Johannes Rabe (Raabe) als Pächter des 246 Hektar großen Domanialguts genannt, mit Gutshaus, Wirtschaftsgebäuden und Mühle. Zu Jennewitz gehörte auch die Försterei Hundehagen bei Kröpelin.

Im Zweiten Weltkrieg und in der unmittelbaren Nachkriegszeit traten einschneidende Veränderungen ein. Am Ende des Krieges wurde das Gutshaus 1945 von der Roten Armee requiriert und als Außenstelle der Garnison Wustrow genutzt. In den Jahren kurz nach 1945 folgten Belegung durch Flüchtlinge und die Verteilung von Land im Zuge der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone. Ab 1947, als die Sowjetunion die Truppenstärke in der Heimat reduzierte und sich auf Wustrow beschränkte, verließ die Rote Armee auch den Standort Jennewitz. Nach deren Abzug 1947 wurden Gebäude und Flächen im Rahmen der Bodenreform an Neubauern verteilt. Kriegsflüchtlinge erhielten 1949 einen Teil des ehemaligen Pferdestalls und bauten diesen zum Wohn- und Stallgebäude um. Das Gutshaus selbst wurde in dieser Zeit zu Wohn- und Verwaltungszwecken umgestaltet.

Ab 1948 nutzte die Maschinen-Ausleih-Station (MAS) das Gutshaus als Stützpunkt. Der Südwestflügel wurde zu einem Saal umgebaut, das Obergeschoss zu Unterkünften für Lehrlinge, im Erdgeschoss entstanden Büros und eine Gemeinschaftsküche. 1953 übernahm die Gemeinde die Trägerschaft über das Gebäude, richtete im Erdgeschoss einen Kindergarten ein und nutzte weitere Räume für Verwaltung und kulturelle Veranstaltungen.

In den 1950er Jahren wurde die LPG „Roter Oktober“ gegründet, die später in der LPG „Freie Erde“ Kröpelin aufging. Das Gutshaus blieb bis in die 1980er Jahre Versammlungs- und Veranstaltungsort des Dorfes. Nach 1989 nutzte die örtliche DRK-Gruppe Räume im Ostflügel und den Saal, bis 1999 wegen der anstehenden Sanierung sämtliche Nutzer auszogen.

Die Dachkonstruktion zeigte im Laufe der Jahrzehnte Schwächen, weshalb bei der Sanierung 1999 der gesamte Dachstuhl erneuert wurde. Fenster, Türen und Putzflächen wurden nach historischem Vorbild wiederhergestellt. Die von 1999 bis 2003 durchgeführte Sanierung umfasste die komplette Erneuerung der technischen Ausstattung, die Restaurierung der Fassade, den Einbau moderner Heiz- und Sanitäranlagen sowie eine Neuaufteilung der Wohnräume. Die Ziegelfassaden wurden gereinigt.

1995 wurde das Gutshaus nach gerichtlichen Klärungen Eigentum des Landes Mecklenburg-Vorpommern. 1998 erwarben Ulf und Rosemarie Lübs das Anwesen vom Land. Nach der vollständigen Räumung im Jahr 2000 begannen umfangreiche Sanierungsarbeiten, bei denen das Haus entkernt, statisch gesichert, technisch erneuert und architektonisch wiederhergestellt wurde. Der Dachstuhl wurde vollständig erneuert und statisch verbessert. Parallel zur Gebäudesanierung wurde das Grundstück bereinigt, der ehemalige Teich ausgeräumt und verfüllt sowie neue Wege, Grünflächen und Parkplätze angelegt. Statt dessen Teiches ist hier nun ein Wasserrückhaltebecken. Ende 2003 waren die wesentlichen Arbeiten an der Außenanlage abgeschlossen. In dem Gutshaus befinden sich einzelne Wohnungen. Neben dem Gutshaus existiert auf dem Anwesen noch ein großer Speicher, dessen äußere Gestalt weitgehend erhalten ist, sowie mehrere umgebaute Wirtschaftsgebäude und eine lange Katenbebauung an der Zufahrt.

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