Gutshaus Klein Wehnerdorf © Historische Häuser

Gutshaus Klein Wehnendorf in Mecklenburg-Vorpommern

Südlich von Sanitz liegt das Gutshaus Klein Wehnendorf. Zwei Besonderheiten machen dieses Gut einzigartig: Zum einen war es einst das kleinste Rittergut Mecklenburg-Schwerins, womöglich sogar Deutschlands, zum anderen wurde hier 1829 die erste Maschinenbauanstalt Mecklenburgs gegründet. Was heute wie ein unscheinbarer Gutshof wirkt, war in Wahrheit ein Ort des technologischen Aufbruchs.

Im Laufe der Zeit wurde aus dem einstigen Gutsdorf Wehnendorf der Ort Klein Wehnendorf, der 1805 erstmals im Staatskalender des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin genannt wurde. Die Besitzverhältnisse lassen sich ab 1804 präzise nachvollziehen. In jenem Jahr übernahm Johann Christian Janenzky das Gut und blieb bis 1819 Eigentümer, gefolgt von Christian Heinrich Janenzky, der das Gut bis 1828 bewirtschaftete. Nach dem Tod von Janenzky übernahm seine Witwe, Frau Wendt, das Gut für ein Jahr.

1829 trat mit Dr. Johann Heinrich Ernst Alban (1791–1856) eine herausragende Persönlichkeit auf den Plan. Der gebürtige Mecklenburger war nicht nur Chirurg und Augenarzt, sondern auch Techniker, Erfinder und Unternehmer. 1827 zog er nach Stubbendorf und erwarb 1829 das Gut Klein Wehnendorf. Er erkannte in Klein Wehnendorf einen geeigneten Standort für seine ambitionierten Pläne. Im selben Jahr errichtete er hier die erste Maschinenbauanstalt Mecklenburgs. Alban ließ die erste Dampfmaschine im Land installieren und begann mit der Produktion von Landmaschinen, etwa Dreschmaschinen, Sämaschinen, Häckslern und Pumpen.

1839 veräußerte Dr. Alban das Gut an Friedrich Daniel Gallenbach, der die Produktion gemeinsam mit der Eisengießerei Andersen nach Güstrow verlegte. In den folgenden Jahrzehnten wechselte das Rittergut mehrfach den Eigentümer: Eduard Anton Adalbert von Schack übernahm es 1845, nach ihm folgte Johann Friedrich Hesse, bevor ab 1856 Carl Gustav Friedrich Nahmmacher das Gut führte. Sein Sohn Wilhelm Heinrich Friedrich Nahmmacher setzte das Wirken seines Vaters bis 1877 fort. Danach ging das Gut an August Martens über, der das Lehngut 1884 an Carl Dittmann veräußerte. Dittmann ließ um 1890 das heutige Gutshaus errichten und blieb bis 1897 Eigentümer.

Das heutige Gutshaus wurde um 1890 unter Carl Dittmann errichtet, vermutlich auf den Fundamenten eines älteren Fachwerkbaus mit Mansardwalmdach. Der jetzige Bau ist ein eingeschossiger, elfachsiger Ziegelbau mit Krüppelwalmdach und Schleppgauben. Besonders auffällig ist das leicht über das Dachgeschoss hinausragende Vierecktürmchen mit Zeltdach an der Hofseite. Der ebenerdige Eingang wird durch einen markanten, über die Traufe geführten Frontspitz betont, ein gestuftes Giebelmotiv rahmt ihn wie ein stilisiertes Portal.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Gebäude mehrfach verändert und erweitert: Die linke Giebelseite, heute massiv gemauert, weist unterschiedliche Ziegelqualitäten und ein ovales, inzwischen verschlossenes Giebelfenster auf. Hier sind die Aufstockung an der Rückseite sowie die Vormauerung der Hoffassade besonders gut ablesbar. Der Bau wurde um drei Achsen nach Westen und eine Achse nach Osten erweitert und baulich mit dem sogenannten Gärtnerbau verbunden, einem eingeschossigen Fachwerkhaus mit ausgebautem Mansarddach. Die Hofseite zeigt gezielt historisierende Elemente: Ziegelornamentik an den Traufen, abgewinkelte Fensterleibungen und mittelalterlich anmutende Gestaltungsmotive. Auf der Rückseite blieb ein Erker erhalten, an der Vorderseite wurde später eine Holzveranda ergänzt. Linkerhand schließen sich ein ehemaliger Küchentrakt und ein Stallgebäude an.

In der Folgezeit gehörte das 51 bis 53 Hektar große Allodialgut unter anderem dem Rittmeister a. D. Emil von Schuckmann, kurzzeitig Max Behn und Otto von Dwingelow, ehe Leutnant a. D. Hermann von Kehler es 1906 übernahm. Nach ihm führte Hans Paetsch das Gut bis 1911, gefolgt von Hugo Jaeger. Ab 1913 war Friedrich Glasow Eigentümer. In den 1920er-Jahren trat die Familie Bohm in Erscheinung, insbesondere Gerhard Bohm, der das Gut bis etwa 1928 bewirtschaftete. 1929 wurde Otto Junge als Besitzer genannt, in den Jahren 1936 bis vermutlich zur Enteignung im Herbst 1945 durch die Bodenreform schließlich Hans Kuntzen.

Von der einst umfassenden Gutsanlage ist heute nur noch ein Stallspeicher aus der Zeit um 1700 erhalten, älter als das Gutshaus selbst und damit das älteste erhaltene Bauwerk des Ensembles. Im Erdgeschoss ist der Speicher massiv erbaut und im Obergeschoss befindet sich Fachwerk. Die weiteren Wirtschaftsgebäude brannten um 1980 ab. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zogen Flüchtlinge in das Gutshaus ein. Das Gutshaus wird von zwei Parteien bewohnt und befindet sich im Privatbesitz.

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