Gutshaus Wahrstorf bei Rostock © Historische Häuser

Gutshaus Wahrstorf bei Rostock in Mecklenburg-Vorpommern

Das Gutshaus Wahrstorf bei Rostock steht heute im Besitz der Gemeinde. Es liegt inmitten einer Landschaft aus Feldern, Wiesen und alten Baumreihen, die zum Landschaftsschutzgebiet „Untere Warnow“ gehört. Die Warnow durchzieht hier feuchte Niederungen und bildet stille Altarme.

Wahrstorf wurde 1337 erstmals als Wardestorppe erwähnt. Die Anlage des Dorfes als Bauerngemeinde dürfte jedoch schon im 13. Jahrhundert erfolgt sein. Wahrstorf war über Jahrhunderte eng mit dem benachbarten Brookhusen verbunden. Beide Orte bildeten zusammen ein adliges Nebengut des Gutes Ziesendorf. Bereits 1275 erhielt Otto Reventlow, nachdem er von Heinrich I., Herr zu Mecklenburg, zum Ritter geschlagen und in den Vormundschaftsrat für dessen unmündige Söhne gewählt worden war, unter anderem Brookhusen als Lehen. Dieses Lehen ging zeitweise an die Gebrüder von Ziesendorf, kehrte später aber an die Reventlows zurück.

Im Jahr 1397 verlieh König Albrecht III. von Schweden und Herzog von Mecklenburg Brookhusen als Allodialgut an Heinrich Reventlow. Dieser hatte dem König nach dessen Niederlage in der Schlacht bei Åsle im Jahr 1389 und während seiner sechsjährigen Gefangenschaft in der Reichsfestung Lindholmen die Treue gehalten.

Bis 1681 blieb der Besitz in der Familie von Reventlow. Der Schwedisch-Brandenburgische Krieg von 1674 bis 1679 brachte jedoch schwere Zerstörungen. Berndt von Reventlow, hoch verschuldet, verkaufte Brookhusen mitsamt Wahrstorf an den mecklenburgischen Landrat und Hofgerichtsassessor Bogislaff Ernst von Petersdorff (1630-1710) zusammen mit seiner Ehefrau Anna Margaretha, geborene von Warnstedt. Um 1697 ging der Besitz an den Rostocker Bürgermeister Dietrich III. von Wolffrath, der am 8. April 1697 in den Reichsadel erhoben wurde. Nach ihm folgte sein Sohn Dietrich IV., der ohne leibliche Erben blieb und Brookhusen an den Güstrower Hofgerichtspräsidenten und Landrat Helmuth von Petersdorff auf Ziesendorf veräußerte.

Helmuth von Petersdorff übergab oder verkaufte das Gut an seine Nichte Elisabeth Oelgard von Blücher (1711-1780). Ihr Sohn, Friedrich Helmuth Ludwig von Blücher (1739-1791), veräußerte Brookhusen und Wahrstorf 1781 an Bernhard Julius Christoph Stein (1733 – 1784).

Mit dem Erwerb durch Stein begann sich aus dem bisherigen Verbund das eigenständige Gut Wahrstorf zu entwickeln. In dieser Zeit entstand auch das Gutshaus, das später mehrfach umgebaut und erweitert wurde.  Nach Steins Tod im Jahr 1784 blieb das Gut bis 1795 im Besitz seiner Erben.

Das Gutshaus ist ein zweigeschossiger dreizehnachsiger Putzbau mit flach geneigtem Walmdach. Die symmetrisch angelegte Hoffront ist schlicht gegliedert und wird durch einen mittig angeordneten Eingang akzentuiert. Der dreiachsige Mittelrisalit wird durch einen Dreiecksgiebel betont. Die Gartenseite präsentiert sich mit einem leicht vorspringenden Mittelrisalit, dessen Giebel die Gebäudemitte markiert. An der Westseite wurde 1885 ein zweigeschossiger Baukörper angebaut, der über einen niedrigeren Zwischenbau mit dem Haupthaus verbunden ist. Die Fassaden sind in einem kräftigen Rotton gefasst und durch helle, rustizierte Ecklisenen optisch gegliedert. Gleichmäßig angeordnete Rechteckfenster sorgen für eine klare Rhythmisierung. Vertikal verlaufende, in hellem Putz abgesetzte Streifen betonen einzelne Achsen. Die architektonische Gestaltung folgt den Grundsätzen des Klassizismus mit ausgewogener Symmetrie, ruhigen Fassadenflächen und reduzierter Ornamentik. Der Baukörper wirkt durch seine proportionierte Gliederung repräsentativ, ohne übermäßigen Fassadenschmuck.

Im Jahr 1795 kaufte Major Joachim Franz Detloff von Bilow (1753 – 1832) den Besitz. Er hielt ihn bis zu seinem Tod. Bis 1835 blieb das Gut im Eigentum seiner Erben.

1835 erwarb Peter Meyer (1791 – 1862) das Gut Wahrstorf. Ihm folgte sein Sohn Peter Adolph Heinrich Georg Meyer (1826 – 1882), der von 1862 bis zu seinem Tod Eigentümer war. Unter der Familie Meyer entstanden 1843 und 1847 zwei Tagelöhnerkaten am Zufahrtsweg, von denen die erste nach dem Brand der Pölchower Schule zeitweise als Ersatzschule diente. Im Jahr 1869 nahm Peter Adolph Heinrich Georg Meyer eine auf dem Gut gelegene Ziegelei in Betrieb.

1882 kaufte der großherzogliche Bauinspektor Joachim Friedrich Christian Saniter (1832 – 1888) den Besitz. Zum Allodialgut gehörten zu diesem Zeitpunkt 350 Hektar Ackerland, 50 Hektar Wiesen, eine Ziegelei, Rinderhaltung und Dampfmaschinen. Der wirtschaftliche Schwerpunkt lag auf dem Anbau von Zuckerrüben und der Ziegelei, die Saniter bereits im Vorfeld des Gutskaufs gehörte. Für den Transport zur Zuckerfabrik in Rostock und zur Ziegelei an der Warnow nutzte man eine zwei Kilometer lange Feldbahn mit pferdegezogenen Loren, die landwirtschaftliche Güter, Dünger, Brenn- und Baumaterial sowie Eis für den Eiskeller beförderte.

Nach dem Tod Friedrich Saniters im Jahr 1889 führten seine Söhne Ernst Friedrich Saniter (geb. 9. November 1862) und Albrecht Saniter (geb. 4. März 1864) den Hof gemeinsam. Ab 1902 war Ernst Friedrich Saniter Alleinbesitzer.

1909 ging das Gut in den Besitz von Johannes Lüttmann (geb. 3. Februar 1865) über. Im Jahr 1921 umfasste es 391,1 Hektar. Unter Lüttmann entstanden eine kleine, technisch gut ausgestattete Molkerei sowie eine Bäckerei, die verpachtet wurde.

Nach der Zwangsversteigerung im Jahr 1929 kaufte 1932 der deutsche Diplomat und Rundfunkpionier Dr. Ernst Ludwig Voß (1880 – 1961) das Gut. Er baute einen anerkannten Saatgutbetrieb auf, richtete eine Handelsgärtnerei ein und betrieb Milchproduktion mit eingetragenem Zuchtvieh, das in der eigenen Molkerei verarbeitet wurde. Außerdem ließ er die Wohnverhältnisse der Landarbeiter verbessern. Während des Zweiten Weltkriegs war er gezwungen, das Land zu verpachten. Bevor er das Gut erwarb war er Handelssachverständiger beim Kaiserlichen Generalkonsulat in Rio de Janeiro.

Seit März 1945 war das Gutshaus mit Flüchtlingen aus Ostpreußen belegt. Am 1. Mai 1945 besetzten sowjetische Truppen den Ort, am 21. Juni übernahm der sowjetische Kommandant das Gut in Selbstbewirtschaftung. Im Dezember 1945 wurde Gut Wahrstorf im Rahmen der Bodenreform enteignet. Dr. Ernst Ludwig Voß und seine Ehefrau verließen im Dezember 1945 das Gut Wahrstorf und flüchteten zur deren Tochter Rosemarie nach Verden.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde das Gebäude teilweise saniert. Heute dient es als Wohnhaus und beherbergt einen Kindergarten, die Amtsräume der Gemeinde, eine Bibliothek, Vereinsräume, eine Töpferei sowie einen Festsaal mit Wintergarten. Der angrenzende Gutspark mit altem Baumbestand ist erhalten.

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