Auf der Halbinsel Wustrow, zwischen dem Reriker Salzhaff und der Ostsee, steht die Ruine des Gutshauses Wustrow. Der Gutspark ist in den alten Strukturen noch erkennbar, jedoch komplett verwildert. Das Betreten der Halbinsel mit wechselvoller Geschichte ist außerhalb von Führungen strengstens verboten, da sich dort noch immer alte Munitionsreste aus der Vergangenheit befinden.
1273 wurde Wustrow erstmals im Stadtbuch von Wismar als „Wozstrzywe“ urkundlich erwähnt als der Mönch Gerhard von Braun von Warendorf 120 Scheffel jährliche Kornhebungen dieses Dorfes erwarb. Der Name Wustrow bzw. „(V)ostrov“ stammt aus dem Slawischen und bedeutet „Insel“. Die Nehrung Wustrower Hals verbindet die einst 1.053 Hektar große Insel mit dem Festland und machte sie durch die Verbindung zum Ort Rerik zu einer Halbinsel. Die Insel ist in drei große Gebiete aufgeteilt. Der vordere, östliche Teil umfasst mit ca. 100 Hektar eine ehemalige Wohnsiedlung (Gartenstadt) und militärische Gebäude. Darauf folgt südwestlich ein Landschaftsschutzgebiet mit etwa 200 Hektar Fläche sowie ein 700 Hektar großes Naturschutzgebiet. Nicht mehr zur Halbinsel gehört die Insel „Kieler Ort“, die früher mit Wustrow durch eine Landzunge verbunden war.
Bis 1933 wurde Wustrow landwirtschaftlich genutzt. Auf der Insel gab es die drei Orte Groß Wustrow, Vorwerk Klein Wustrow und Neu Wustrow. Neben der eigentlichen Gutsanlage gab es auch mehrere Bauernhöfe.
Ab Beginn des 14. Jahrhunderts war das Gut Wustrow im Besitz der Familie von Moltke, einem alten mecklenburgischen Adelsgeschlecht. Ritter Eberhard von Moltke verpfändete im Jahr 1316 Hebungen aus den Gütern Russow und Wustrow für 20 Mark an das Kloster Doberan. Ab 1387 ist erstmals die ebenfalls aus einem alten mecklenburgischen Adelsgeschlecht stammende und aus dem nahen Roggow stammende Familie von Oertzen, genauer die Brüder Hermann und Lippold von Oertzen zu Wustrow, verzeichnet. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde der aus der Gammeliner Linie stammende Mathias von Oertzen erstmals als Besitzer des Wustrower Hofes genannt. Von seinen beiden Söhnen, Vicke III. und Burchard, übernahm der Landrat Vicke III. mit seiner Ehefrau Adelheid, geborene von Stralendorff, das Gut. Vicke III. starb 1465, und ihm folgte sein einziger Sohn Mathias II. von Oertzen (ca. 1465–1549), der zu dieser Zeit noch ein Kind war. Sein Onkel Burchard übernahm die Verwaltung der Güter, bewirtschaftete sie jedoch schlecht, sodass die Güter verpfändet wurden. Mathias II. gelang es nach dem Erreichen der Volljährigkeit, die Güter bis ins Jahr 1531 wieder auszulösen. Dabei waren auch einige Güter der zu dieser Zeit aussterbenden Gammeliner Linie, die ebenfalls durch seinen Onkel Burchard an Reimar von Blücher verpfändet waren.
Ab dem 17. November 1492 war Wustrow der feste Wohnsitz von Matthias II., der dort später zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Ursula, geborene von Bülow, sowie seinen vier Söhnen Stephan, Joachim, Vicke und Segeband, und seiner einzigen Tochter Adelheid lebte. Die Kinder waren beim Tod des Vaters alle minderjährig, obwohl Matthias II. erst im hohen Alter von über 80 Jahren starb. Am 9. Dezember 1514 erhielt der Gutsherr und jüngste Landrat Mecklenburgs von den Mecklenburger Herzögen Albrecht VII. und Heinrich V. das Recht, eine Holzwindmühle auf dem Wustrower Hals zu errichten. Im November 1525 brannte der Gutshof in Abwesenheit des Gutsherrn ab, und Matthias II. erhielt von Heinrich V., Herzog von Mecklenburg, zehn Eichen, um den Gutshof wiederaufzubauen. 1524 wurde Matthias II. von Oertzen in den Ritterstand erhoben und war damit der letzte Ritter Mecklenburgs. Gleichzeitig erhielt er die Schifferei-, Strand- und Fischereirechte auf Wustrow, die ihm ein gutes Einkommen sicherten.
Nach dem Tod von Matthias II. erbte sein zweiter Sohn, Joachim von Oertzen (1565–1598), unter anderem das Gut Wustrow. Der Hofmarschall und Rat von Christoph, dem Herzog von Mecklenburg, war kein so guter Geschäftsmann wie sein Vater, und unter seinen Händen litt nicht nur das Gut Wustrow. Die Schulden stiegen im Laufe der Jahre so stark an, dass Joachim von Oertzen im Jahr 1590 gezwungen war, das Gut Wustrow für 33.333 Gulden und acht Schillinge an seinen Schwager Mathias von Vieregge zu Groß Belitz zu verkaufen. Dieser leistete am 14. Januar 1594 den Lehnseid für das Gut und brachte es wieder in Schwung. Christoph von Vieregge wurde nach dem Tod seines Vaters nächster Gutsherr auf Wustrow, bis er im Jahr 1630 starb. Am 10. Februar 1625 wurde das Gut durch eine Sturmflut überschwemmt und fast vollständig zerstört. Dadurch wurden die von Vieregges von Abgaben befreit, und sie konnten das Gut wieder aufbauen.
1648 mussten die Erben Christoph von Vieregges das Gut verkaufen, und neuer Gutsherr wurde der königlich schwedische Oberst und Kommandant von Wismar, Erich Hansson Ulfsparre. Am 15. Februar 1649 wurde aus dem einstigen Lehngut ein Allodialgut aus besonderer GnadeR. Ulfsparre starb 1652 und wurde in der Wismarer Marienkirche begraben, während das Gut 1660 an seinen Schwiegersohn, Baron Helmuth Otto von Winterfeld (ca. 1617/21–1694), ging, dessen zweite Ehefrau Anna Helena Juliana Ulfsparre war. Baron von Winterfeld erhielt das Kirchenpatronat in Alt-Gaarz. 1694 verstarb der bedeutende Baron, der unter anderem auch folgende Titel innehatte: Seiner Majestät des Königs zu Dänemark und Norwegen Geheimer Rat, Ritter des Ordens vom heiligen Danebrog, Gouverneur über Fünen und Langeland, Amtmann über Odense, Christianstadt und Canuttes, Freiherr auf Winterborg, Herr auf Saebyholm, Wustrow und Langeland sowie Obermarschall und Oberstallmeister, Herr auf Esterup und Lehnlust auf Fünen.
Neuer Gutsherr wurde durch Erbschaft der mecklenburgische Oberkammerjunker Christian Ernst Friedrich von Winterfeld, der aber ein Jahr später (1695) ein Duell nicht überlebte. Der dänische Major der Kavallerie, Baron Friedrich von Winterfeld (1666–1707), war nächster Erbe der Halbinsel. Zwei Jahre später, am 6. Dezember 1696, verkaufte er das Gut für 31.000 Thaler an den Generalleutnant Samuel Christopher von Plessen, der es wiederum 1704 seinem Sohn Helmut August von Plessen (1684–1724) vererbte. Helmut August von Plessen wurde jedoch am 6. April 1724 von Otto Heinrich von Bülow auf Gut Hohen Niendorf erschossen. Nächster Gutsherr wurde vorübergehend Johann Christoph von Plessen (1692–1738), und in der weiteren Erbfolge ging das Gut 1748 in den Besitz des Adelsgeschlechts derer von Kettenburg über. Der Geheimrat Philipp Kajus von der Kettenburg (1708–1760) war mit Eleonore von Plessen (1702–1771) verheiratet. Sie veräußerten das Gut 1782 an Wilhelm Goldschmidt (1731–1790), der 1790 starb. Bereits ein Jahr zuvor wurde ein Kaufvertrag mit Amtmann Heinrich Christopher Jörns abgeschlossen. 1808 erbte dessen Sohn Friedrich das Gut, bis es 1814 der Konsul Peter Burchard erwarb, der aber einige Jahre später mit den Gütern Wustrow und Tüzen in Konkurs geriet.
1820 kaufte der Rostocker Justizkanzleiadvokat Dr. Theodor Ernst Stever das Gut Wustrow, der dort jedoch nie lebte. Ab dem 19. Juni 1835 wurde der zweitgeborene und gleichnamige Sohn, der großherzoglich mecklenburgische Staatsrat Theodor Ernst Stever, neuer Gutsherr, zusammen mit seiner Ehefrau Karoline Marie Pauline, geborene Wächter. Ihr Vater war der Gutsbesitzer Johann Wächter, dem die Güter Lühburg und Basse gehörten.1838 entstanden drei Erbpachthöfe auf Neu Wustrow. 1848 gab die Familie Stever das Kirchenpatronat an den Landesherren zurück. Der liberale Gutsherr und Reformpolitiker Theodor Ernst Stever ließ 1850 das zweigeschossige Gutshaus auf einem hohen Kellergeschoss bauen. Der elfachsige Putzbau präsentierte sich im Tudorstil. Der Mittelrisalit umfasste drei Achsen mit Strebepfeilern, Türmchen und Blendnischen. Vermutlich stammt auch das Gutshaus Wustrow von dem Wismarer Architekten Heinrich Gustav Thormann, der zu dieser Zeit lebte und in der näheren Umgebung einige ähnliche Gutshäuser entworfen hatte und auch schon für die Familie Stever das Gutshaus Niekrenz entworfen hat.
Nächster Erbe war 1857 der einzige Sohn Ernst Ulrich Stever. 1859 traf die Insel der nächste Schicksalsschlag, als die Cholera ausbrach und fünf Einwohner starben. Wenige Jahre später gab es ein verheerendes Unwetter, bei dem ein Blitzschlag den Gutshof in Brand setzte und diesen völlig zerstörte. Am 12./13. November 1872 gab es eine weitere verheerende Sturmflut, bei der die Nehrung an mehreren Stellen brach und Wustrow zur Halbinsel wurde. Auch die Mühle wurde dabei zerstört. 1874 wurde für 41.619 Reichsmark von der Landesregierung ein künstlicher Deich mit Windfangzäunen und einer Straße angelegt, der sogenannte Wustrower Hals. Einige Jahre später brannte der Gutshof bis auf das Gutshaus ab. 1885 starb Ernst Ulrich Stever, als er vom Blitz getroffen wurde. Seine Ehefrau Clara von Hildebrandt übernahm mit den vier Kindern – den Söhnen Ernst, Johannes und Thielemann sowie der Tochter Charlotte – die Geschicke des Gutes, bis es ein Jahr später von Verwandten gepachtet und bewirtschaftet wurde.
1890 umfasste das Allodialgut 695 Hektar Acker und Gärten, 325 Hektar Weide und 20 Hektar Wiesen. 1904 wurde Gut Wustrow von Johann Christian Theodor Stever gekauft, der es drei Jahre später an die Mecklenburgische Ansiedlungsgesellschaft veräußerte. Weitere Eigentümer waren danach ab 1907 der Berliner Hofkammerrat a. D. Hermann Paschke, ab 1908 der Holsteiner Ralf Rehwohldt, ab 1912 der Sachse Dr. Joachim Herms sowie ab 1917 der Berliner Major und Landwirt Herbert Klotz. Dieser veräußerte es 1925 an den Damshagener Hans von Plessen, der es am 1. Juli seinen Söhnen Hans Balduin und Bernhard von Plessen übergab. Die Brüder verkauften 1933 die komplette Halbinsel für 1,4 Millionen Reichsmark an die deutsche Wehrmacht, womit die militärische Nutzung der Insel begann.
Innerhalb von fünf Jahren erbaute die Wehrmacht auf Wustrow die größte Ausbildungsstelle der deutschen Flakartillerie mit Hafen und Flugplatz. Neben 180 Gebäuden wurden hier ein Luftabwehr- und ein Luftwaffenstützpunkt errichtet. Außerdem entstand zu der Zeit das modernste Hallenbad Deutschlands auf der Halbinsel. In der Gartenstadt erfolgte die Unterbringung der Offiziere und deren Familien sowie der Soldaten. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam die Rote Armee, und am 2. Mai 1945 wurde die Insel kampflos vom Stadtkommandanten Deckwitz übergeben. Im Herbst 1945 wurde der hintere Teil der Halbinsel Wustrow durch die Bodenreform enteignet. Das Land wurde aufgeteilt und an Neubauern übergeben. 1949 wurde die Insel allerdings geräumt, und die militärische Nutzung der Insel durch die Rote Armee begann. Ein Krankenhaus, ein Kaufhaus, eine Schule und weitere militärische Gebäude entstanden. Am 18. Oktober 1993 endete die militärische Nutzung der Halbinsel. Der Abzug der Armee begann und war 1994 abgeschlossen. 1995 wurde die Gartenstadt kurzzeitig unter Denkmalschutz gestellt. Wustrow wechselte in den Besitz des Bundes, der eine weitere militärische Nutzung ablehnte. Aufgrund dieser Entscheidung wurde Wustrow vom Bundesfinanzministerium durch die Oberfinanzdirektion Rostock verwaltet. Im April 1998 wurde die Investmentgruppe Fundus neuer Eigentümer der Insel. Die Verwaltung des Geländes obliegt der Entwicklungs-Compagnie Wustrow, einem Unternehmen der Jagdfeld-Gruppe. Vom eigentlichen Gutshaus des ehemaligen Ritterguts bestehen nur noch die Außenwände. Der Gutspark mit Teich ist in den alten Strukturen noch erkennbar, jedoch verwildert. Ein Wiederaufbau des Gutshauses Wustrow ist nicht möglich, da das Gutshaus im Naturschutzgebiet zur Seite des Salzhaffs steht.
Die Führungen auf der Halbinsel Wustrow gehen nur durch den Bereich der Gartenstadt. Eine Besichtigung des Gutshaus Wustrow ist nicht möglich.