Gutshaus | Herrenhaus Lüssow ©Historische Häuser | Alte Häuser

Herrenhaus | Schloss Lüssow in Mecklenburg-Vorpommern

Mitten im ursprünglichen Flusstal der Peene steht das im Stil der Neorenaissance erbaute Herrenhaus Lüssow in Mecklenburg-Vorpommern. Besonders ist hier, dass das Herrenhaus westlich des Gutshofes inmitten des Landschaftsparks steht.

Der Ort Lüssow wurde 1228 erstmalig in einer Urkunde des Herzog Barnim I. von Pommern als Lutzowe erwähnt. Archäologen haben spätslawische Siedlungen nördlich und östlich von Lüssow gefunden, die aus den Jahren 1000 bis 1200 stammen. Gleich mehrere Familien besaßen Anteile an Lüssow im 15. Jahrhundert, unter ihnen waren die Familie Horn und Owstin. Seit dem Jahr 1567 findet man den Ort in den Urkunden nur noch als Lüssow. Seit dem Ende des dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) gehört das Gut vornehmlich der Familie von W(u)olffradt. Erster nachweislicher Besitzer ist der Weinhändler Berndt/Berend Wulffradt. Ihm gelang es 1645, durch Pfandbesitz auf 50 Jahre, an einige Güter des Joachim Kuno von Ostwin zu kommen, unter anderem Lüssow. Zu dieser Zeit gehörte Vorpommern zu Schweden. 1647 wurde Berndt Wulffradt durch die schwedische Königin Christina in den Adelsstand erhoben. 1670 konnte Hermann von Wolffradt die gepfändeten Güter erwerben. Im folgte sein Sohn Carl Gustav von Wolffradt, der schwedischer Generalleutnant war. Einige der Nebengüter wurde im Erbe schon aufgeteilt. Letzter Besitzer war Hermann Wilhelm Carl Gustav von Wolffradt, der 1841 ohne Nachkommen verstarb und Lüssow an seinen Vetter Achim von Voß (1837-1904), der aus seiner mütterlichen Linie und einem alten mecklenburgischen Adelsgeschlecht stammte, vererbte. Im Testament war die Auflage festgehalten, dass er das Erbe nur antreten kann, wenn der aus Mecklenburg stammende Achim den Doppelnamen von Voß-Wolffradt annimmt und die Errichtung eines Familienfideikommisses in Kraft gerät. 1849 erhielt Armin von Voß die Genehmigung dafür und begann mit der Bewirtschaftung des Guts. 1863 heiratete er Sophie von Behr-Negendanck (1845-1937) in Ludwigslust und zog mit ihr auf das pommersche Gut nach Lüssow. 1865 wurde er Ehrenritter und ab 1880 Rechtsritter des Johanniterordens.

Der Major und preußische Kammerherr ließ 1867 das Herrenhaus außerhalb des Gutshofes mit den aus Feld- und Backsteinen erbauten Wirtschaftsgebäuden wie Scheune, Stallungen und Speichern im Park errichten. Ein Jahr zuvor ließ er eine Ziegelei für den Bau des Herrenhauses erbauen. 1868 war der zweigeschossige, elfachsige Putzbau im Stil der Neorenaissance fertiggestellt. Das Herrenhaus wurde auf einem hohen Sockelgeschoss aus Feldsteinen erbaut. Zu dieser Zeit präsentierte sich das Herrenhaus mit dreigeschossigen übergiebelten Seitenrisaliten, einem Treppenturm mit spitzem Turmhelm an der Ostseite, sowie zwei kleineren Türmen an der Westseite. Zwischen den Türmen war die Veranda. Die Zwerchgiebel waren mit Verzierungen und Voluten geschmückt. Im Kellergeschoss wurden die Wirtschafts- und Lagerräume untergebracht. Hier waren auch die Küche sowie der Essraum für das Gesinde. Einen Speiseaufzug aus der Küche gab es zum Speisesaal der Herrschaft im Erdgeschoss. Im Erdgeschoss waren neben dem Speisesaal, der zur Veranda ging, noch weitere Repräsentationsräume, wie der große Saal mit zwei Kaminen, die Bibliothek, sowie das Musik- und Arbeitszimmer untergebracht. Im Obergeschoss lagen die Wohnräume und im Dachgeschoss waren Räume für das Personal. Der bereits im 18. Jahrhundert angelegte, etwa zehn Hektar große Park wurde etwa 1860 in einen englischen Landschaftspark umgeformt. Das alte Gutshaus wurde zu einem Wirtschaftsgebäude. Achim von Voß-Wolffradt führte ein gutes Leben auf dem Familienfideikommiss in Lüssow. Ab 1887 war er Kurator des Adligen Fräuleinstiftes in Barth, ab 1892 wurde er Mitglied des Preußischen Herrenhauses und 1894 wurde er im Jahrbuch der Millionäre erwähnt. Das Ehepaar bekam drei Kinder, Tochter Ursula und die Söhne Vicco und Heino.

Das Gut erbte nach dem Tod von Achim von Voß-Wolffradt dessen Enkelsohn Achim Ewald Friedrich Walter von Voß-Wolffradt, der zu diesem Zeitpunkt allerdings erst drei Jahre alt war. Seine Eltern, Vicco von Voß-Wolffradt (1871 – 1945) und dessen Ehefrau Elisabeth Gräfin von Pfeil und Klein Ellenguth, bewirtschafteten das Gut vorerst. 1914 hatte das Gut eine stattliche Größe von 806 Hektar, davon waren 90 Hektar Wald. Während der Weltwirtschaftskrise konnte das Gut vergrößert werden. Es umfasste 1939 821 Hektar und 126 Hektar Wald und gehörte mittlerweile Achim von Voß und seiner Ehefrau Ilse von Dewitz. Die zum Rittergut gehörende Landwirtschaft beeindruckte mit 630 Schweinen, 420 Schafen sowie einer Pferdezucht. Selbst ein Land-Bulldog war hier schon auf den Feldern zu sehen. Vor der Besetzung des Gutes Lüssow durch die Rote Armee im April 1945 wählten Vicco von Voß-Wolffradt, seine Ehefrau Elisabeth und seine Schwester Ursula nach kurzer Flucht den Freitod. Achim von Voß-Wolffrath floh mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern nach Hessen.

Im Schloss wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 20 Flüchtlingsfamilien untergebracht. Ab 1946 wurden zusätzlich eine Typhuskrankenstation und eine Geburtsstation im Erdgeschoss errichtet. Ab 1947 wurde ein Großteil der Mauer vom Schloss zum Turm, sowie das Tor zur Wagenremise und der Eiskeller abgebrochen, um weitere Unterkünfte für die Flüchtlinge zu errichten. Ab 1950 fanden erste Unterrichtsräume im Haus ihren Platz und die Flüchtlingsunterkünfte wurden reduziert. Neben einem Kindergarten wurden Dorfgemeinschaftsräume eingerichtet. 1952 wurde das alte Schulhaus im Dorf zu klein und die gesamte Schule zog in das Herrenhaus ein, um es bis 1972 zu nutzen. Die Ländereien und die Wirtschaftsgebäude wurden ab 1953 durch einen örtlichen Landwirtschaftsbetrieb betrieben, der 1955 in die LPG Lüssow aufging und ab 1960 voll genossenschaftlich war. Ein Teil der Wirtschaftsgebäude wurde abgerissen, andere Gebäude umgestaltet und LPG-Gebäude ergänzt. Ab den 1950/1960er Jahren wurde hier Milch- und Schlachtvieh gehalten. Da der Gemeinde die Gelder für eine Sanierung des Hauses fehlten, wurden 1968/1969 die Türme des Herrenhauses gekappt und die Zwerchgiebel begradigt. Die reichhaltigen Verzierungen wurden abgeschlagen. Ein Mehrzweckgebäude wurde ab 1968 für den Konsum und das Gemeindebüro genutzt. Im Obergeschoss waren neun Wohnungen, die nach 1972 nur noch teilweise belegt waren. 1984 zog auch der Kindergarten aus dem Gebäude aus und das Herrenhaus wurde nun von Innen geplündert. Die Kamine, Türen und das Treppengeländer fanden woanders eine neue Heimat. Vandalismus fand ebenso statt. Das Herrenhaus stand ab da leer, der Park verwilderte. Ab 1990 wurden auch die landwirtschaftlichen Gebäude nicht mehr genutzt.

1994 konnte durch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Park und die Gebäude geräumt und saniert werden. Ab März 1996 nahmen sich die Einwohner Lüssows dem Herrenhaus an und gründeten den Verein „Schloss und Gut Lüssow“. Federführend ist das dem Ehepaar Klut zu verdanken. Dem Verein gelang es gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz das Dach des Herrenhauses zu erneuern und erste Sicherungsmaßnahmen, wie die Trockenlegung des Mauerwerks für das Herrenhaus, durchzuführen. 2004 wurde das Herrenhaus zum Landwirtschaftsmuseum umgestaltet. Die Landtechnik stammte größtenteils von der Züssower Landtechnik und wurde von Jürgen Mausolf restauriert.

2013 erfolgte der Verkauf des Herrenhauses mit dem Park und den restlichen Wirtschaftsgebäuden an einen Investor. Das Herrenhaus steht seit 30 Jahren leer, eine Sanierung erfolgt bis heute (2023) nicht. Im Park befinden sich noch einige dendrologische Besonderheiten, wie z. B. wie Fächerblattbaum, Hickorynuss, Magnolie, Weißtanne sowie Amerikanische Roteiche und Linde. Seit 2024 gibt es einen neuen Eigentümer. 

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