Herrenhaus | Schloss Varchentin © Historische Häuser | Alte Häuser

Herrenhaus | Schloss Varchentin in Mecklenburg-Vorpommern

Das Herrenhaus (Schloss) Varchentin, an der Mecklenburgischen Seenplatte gelegen und im Tudorstil erbaut, beeindruckt gleich auf den ersten Blick. Ein imposantes Gebäude, eingebettet in einem 20 Hektar großen Landschaftspark, der nach Plänen von Peter Joseph Lenné gestaltet wurde und direkt an dem 200 Hektar großen Großen Varchentiner See liegt. Insgesamt umfasst das Gebäudeensemble mit Park 26 Hektar.

1333 wurde der Name des Ortes Varchentin, der aus dem Slawischen stammt, erstmalig in einer Urkunde erwähnt. Bereits zuvor, in den Jahren 1270 bis 1280 wurde die Kirche erbaut, das Dorf selbst befand sich noch am Rande des Großen Varchentiner Sees. Bis ins 14. Jahrhundert gehörte die auf einer Halbinsel am östlichen Ufer stehende Burg der ritterschaftlichen Familie Kruse. Um 1350 erwarb der Warener Bürgermeister Nikolaus von dem Berge den Besitz. Ab 1406 teilten sich gleich mehrere Familien das Dorf, unter ihnen waren die Familie Scherve, von Brüsewitz, von Heydebreck, die Kruses und die Familie Rostke. Ab 1445 ging der Ort dann in den Besitz der Familie Kruse, den Rostkes und den Herzögen über. Durch den Dreißigjährigen Krieg wurde das Land stark verwüstet und viele Familien mussten in der Zeit danach ihren Besitz veräußern. Ab 1671 ging der Krusische Besitz an den Lehnrath Dr. Ferber. Ab 1693 war der gesamte Besitz in den Händen des Geheimrates Johann Levin Ferber. Das Gut sollte zunächst allodifiziert werden, wurde aber auf Bestreben von Herzog Friedrich Wilhelm I. zu Mecklenburg zum Kunkellehen. Dadurch hatten auch weibliche Mitglieder der Familie die Chance, die Erbfolge des Gutes anzutreten. Die Familie Ferber wurde 1704 durch Kaiser Leopold I. in den Adelsstand erhoben. Ende des 18. Jahrhunderts wurden sie in die mecklenburgische Ritterschaft aufgenommen. Da 1752 der Sohn der von Ferbers verstarb, erbte die Tochter, eine verwitwete von Klinggräff, das Gut. In ihrem Besitz blieb es bis 1809, um dann wieder in den Besitz der Familie von Ferber überzugehen. In alten Vermessungskarten aus dem Jahr 1756 ist ein Gutshaus am Ufer des Sees eingetragen, das aber nicht mehr existiert. 1827 wurde das Dorf umgesiedelt und befindet sich fortan bei der Kirche. 1836 erwarb die Familie Jenisch den Besitz, die 1838 den Landschaftspark von Lenné anlegen ließen.

1847 ließ Gottlieb Jenisch (1797 – 1875) das Herrenhaus in Varchentin erbauen. Bevor der angesehene Hamburger Kaufmann sich dort niederließ, erbaute er am Hamburger Jungfernstieg das denkmalgeschützte Amsinck-Palais. Verheiratet war er mit Caroline, verw. Gräfin von Westphalen-Fürstenberg, geb. Freiin von Lützow. Das Ehepaar bekam drei Töchter. Marie, eine der drei Töchter, heiratete im Jahr 1875 Adolf Graf von Grote, der aus einem niedersächsischen Adelsgeschlecht entstammte und Mitglied des Deutschen Reichstags sowie Hannoverscher Gesandter war. Die beiden Vermählten erbten das Gut Varchentin. Jenisch beauftragte den Schweizer Baumeister Auguste de Meuron mit dem Bau des Herrenhauses im Stil der Tudorgotik. De Meuron hatte sich in Hamburg einen Namen mit dem Bau von Stadtvillen gemacht. Das imposante Herrenhaus entstand als weitläufiger Komplex mit verschiedenen verputzten Gebäudeteilen. Der zweigeschossige siebenachsige Mittelbau, dem Corp de Logis, hat ein Mezzaningeschoss erhalten und wird von zweigeschossigen Seitenflügeln, die jeweils mit einem quadratischen Turm mit Zinnenbekrönung versehen wurden, flankiert. Der Eingang ist leicht vorgezogen und wird von gotischen Fialtürmchen umrandet. Zur Parkseite präsentiert sich der Mittelbau durch die Lage am Hang als viergeschossiger Bau. Eine Freitreppe führt in den Park. Im Haus blieb der große doppelseitige Kamin erhalten, der sich direkt in der Eingangshalle und im Gartenzimmer mit vier Porträtköpfen, geschnitzten Tier- und Wappendarstellungen sowie zwei Löwen, die den Kamin an den Seiten begrenzen, zeigt. Eine imposante Holztreppe, einige Stuckverzierungen und das Buntglasfenster im 1910/12 von Otto Graf von Grote angebauten Südtrakt sind ebenfalls erhalten. Insgesamt befinden sich 80 Zimmer in dem 4.400 qm großen Herrenhaus. Der Wirtschaftshof ist dem Herrenhaus östlich vorgelagert. Zum Herrenhaus gehören mehrere Wirtschaftsgebäude, ein Kontorhaus, eine Orangerie, eine Fasanerie, ein Mausoleum und ein Marstall, der im Inneren mit Villeroy & Boch-Fliesen glänzt. Das im Stil der Neorenaissance erbaute Mausoleum der Grafen von Grote entstand 1895 und befindet sich an der südlichen Flanke des Gutsparks. Einst führte eine breite Allee von Kastanien dorthin, aktuell ist der Weg aber verwildert. Das Portal der Grabkapelle ist aufwendig geschmückt und mit horizontalen Sandsteinbändern versehen. Den Auftrag für den Bau der aus roten Ziegeln bestehenden Kapelle erhielt der Architekt Karl Albrecht Haupt (1852 – 1932) von Adolf Graf von Grote. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das denkmalgeschützte Mausoleum zur Altmetallgewinnung geplündert.

Letzter Besitzer des Herrenhauses und des Gutes Varchentin war Friedrich Franz Graf von Grote (1901 – 1942). Der deutsche NS-Agrarfunktionär und SS-Oberführer war zunächst Pächter des Gutes Varchentin, sowie der Güter Deven und Varchow und erbte diese später. Zu der damaligen Zeit gehörten 1740 Hektar zum Gut Varchentin. Die Einwohner des Ortes waren größtenteils abhängig von der Familie von Grote. Zum Gut Varchentin mit den Gütern in Carolinenhof und Marienberg gab es einen Fideikommiss. Auf Varchentin wurde ein Schulungslager der Artamanen, ein radikal-völkischer Siedlungsbund im völkischen Flügel der damaligen deutschen Jugendbewegung, die später in die Hitlerjugend eingegliedert wurden, eingerichtet. Grote starb 1942 an der Ostfront in Russland. Seine Ehefrau Rachel, eine geborene Derby Smith, konnte mit ihren fünf Kindern rechtzeitig vor dem Eintreffen der Roten Armee in Rachels Heimat, in die USA, emigrieren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Herrenhaus geplündert und bis 1947 waren russische Truppen dort einquartiert. Danach fanden bis zu 36 Flüchtlingsfamilien ihren Platz im Gutshaus. Während der DDR-Zeit waren in dem Gebäude die LPG-Verwaltung sowie der Konsum eingerichtet. Der Saal wurde von der Gemeinde für Veranstaltungen genutzt. 1980/81 wurde das Herrenhaus saniert und umgebaut. Im Herrenhaus entstand ein Schulungs- und Trainingszentrum für die Forstwirtschaft der DDR. Kurzzeitig war im Herrenhaus auch ein Landhotel untergebracht und im Kellergeschoss wurde eine Kneipe betrieben. Nach der Wende 1990 blieb das Herrenhaus ungenutzt und verfiel seitdem. Ab 1994 begann ein mehrfacher Verkauf des Herrenhauses. Im Jahr 2006 kaufte es die Aurelia-Gruppe, um das Herrenhaus zu sanieren und es als Hotel im Charm von 1927 neu aufleben zu lassen. Der Gutshof sollte Gewerbebetrieben zur Verfügung gestellt werden und weitere Gastronomie beherbergen. Die Pläne scheiterten 2008, so dass das Anwesen im Jahr 2015 von den damaligen Besitzern wieder zum Verkauf angeboten wurde. Von 2016 bis 2018 war das Herrenhaus im Besitz des Vereins Varchentiner Schloss e. V.. Erste Sanierungen und Aufräumarbeiten begannen. Das Schloss sollte wieder öffentlich genutzt werden und einer sozialen, wie auch kulturellen Nutzung unterliegen. Die Pläne scheiterten seinerzeit wohl auch an den damaligen, rund 14 Millionen Euro betragenden Sanierungskosten. Das Herrenhaus mit Park, Gutshof und Mausoleum wurde danach an eine engagierte Familie aus Nordrhein-Westfalen verkauft, die mit der Sanierung der Gebäude begonnen hat.

Landschaftspark
Der 20 Hektar große, leicht hügelige Landschaftspark wurde vom preußischen Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné angelegt und schließt am Ufer des Großen Varchentiner Sees ab. Beauftragt hatte ihn der Bauherr Gottlieb Jenisch im Jahr 1838. Lenné legte Sichtachsen vom See zum späteren Herrenhaus an. Eine weitere Sichtachse bestand zum Mausoleum. Im Park befinden sich Kanalverbindungen zwischen dem Großen und dem Kleinen Varchentiner See, der Kanal ist allerdings durch den gesunkenen Grundwasserspiegel vertrocknet. Einige dendrologische Besonderheiten befinden sich bis heute im Park.

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