Im südlichen Thüringen steht im von-Seckendorff-Park in Meuselwitz eine Orangerie, die als beinahe vergessenes Meisterwerk barocker Baukunst gilt. Sie zählt zu den wenigen vollständig erhaltenen Gartenbauwerken des Barock im mitteldeutschen Raum und prägt bis heute das Bild der historischen Parkanlage.
Die Orangerie wurde in den Jahren 1724 bis 1727 unter Feldmarschall Friedrich Heinrich Reichsgraf von Seckendorff (1673–1763) errichtet. In derselben Zeit wurde auch das bereits 1677 von Veit Ludwig von Seckendorff erbaute Schloss Meuselwitz grundlegend umgestaltet und zur barocken Vierflügelanlage erweitert. Die Orangerie ist das letzte erhaltene bauliche Zeugnis dieses einst bedeutenden Schlosskomplexes.
Die Pläne für die Orangerie stammten von David Schatz (1667–1750), dem polnischen und kursächsischen Landesbaumeister, der sich als Architekt und Gartenkünstler des mitteldeutschen Spätbarocks einen Namen gemacht hatte. Schatz wirkte unter anderem als schwarzburgischer Hofbaumeister und gestaltete den Zöbigker Schlosspark, das Schloss Burgscheidungen sowie zahlreiche Kirchen- und Gartenanlagen in ganz Mitteldeutschland. Für den sächsischen Kurfürsten August den Starken betreute er die Orangerie im Dresdner Zwinger; zudem war er am Bau des Schlosses Köthen für Fürst Leopold von Anhalt-Köthen beteiligt. Die bauliche Ausführung der Meuselwitzer Orangerie lag vermutlich in den Händen des Altenburger Ratsbaumeisters Johann Georg Hellbrunn (1674–1753).
Der rund 40 Meter lange, flachbogige Baukörper ist auf einer Ost-West-Achse angelegt und öffnet sich zur Parkseite. Der Grundriss folgt der klassischen Symmetrie barocker Gartengebäude, wobei die mittige Rotunde mit ihrer geschweiften barocken Haube das zentrale architektonische Motiv bildet. Über dem Mittelbau erhebt sich ein gestufter Turmaufbau mit Laterne und Vasenbekrönung, eine Gestaltung, die stilistisch an einen Triumpfbogen erinnert. Vier restaurierte Figuren in den Nischen der Rotunde verkörpern die Jahreszeiten. Der Mittelrisalit ist durch vier Lisenen gegliedert und wird von einem überhöhten Portal erschlossen, dessen Supraporte ein plastischer Wappenstein mit floraler Rahmung ziert. Das Portal besitzt ein Gegenstück auf der Rückseite und stellt die symmetrische Durchdringung des Baus mit Licht und Raumbezug her.
Die an die Rotunde anschließenden Seitenflügel dienten ursprünglich als Gewächshäuser für frostempfindliche Pflanzen und sind gleichförmig ausgebildet. An den Enden treten rechteckige Kopfbauten hervor, die durch ihre Bauweise mit Kaminen und Ausstattung vermutlich für gesellige Zwecke vorgesehen waren. Der gesamte Bau ist reich mit bildlichem und figurativem Zierrat geschmückt. Ein Triglyphen- und Metopenfries zieht sich unterhalb des Kranzgesimses entlang, angelehnt an antike Tempelarchitektur. Besonders charakteristisch sind die zwölf überhöhten ovalen Nischen mit plastischen Büsten von Männern und Frauen, von denen jede einen individuellen Gesichtsausdruck trägt. Diese Büsten symbolisieren vermutlich die Sternenbilder des nördlichen und südlichen Himmels und verweisen auf das barocke Verständnis von Kosmos, Ordnung und Repräsentation.
Die Orangerie steht am Ende einer barocken Sichtachse im von-Seckendorff-Park, der bereits ab 1709 im französisch-holländischen Stil angelegt und später im Sinne des englischen Landschaftsgartens weiterentwickelt wurde. Sockelsteine säumen den Weg zur mittig gelegenen Freitreppe, die von zwei steinernen Sphinxen bewacht wird. Ursprünglich waren weitere Skulpturen im Park aufgestellt, die heute jedoch weitgehend verschwunden oder restaurierungsbedürftig sind.
Schloss, Park und Orangerie wurden im 18. Jahrhundert von hochrangigen Persönlichkeiten besucht, darunter der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke und König Friedrich Wilhelm I. von Preußen. Obgleich der schriftliche Nachweis fehlt, wird immer wieder überliefert, dass die Orangerie in Meuselwitz als Vorbild für Friedrichs II. erstes Schlossbauprojekt in Sanssouci gedient haben könnte. Tatsächlich weist die Architektur des Mittelbaus Ähnlichkeiten zur Potsdamer Schlossanlage auf.
Das Schloss Meuselwitz wurde bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg nur leicht beschädigt. Bei einem Luftangriff am 20. März 1945 brannte jedoch die Orangerie vollständig aus. Die barocke Haube der Orangerie blieb zunächst erhalten, stürzte aber 1954 ein.
Trotz des vergleichsweise guten Erhaltungszustands des Schlosses beschloss die Gemeinde 1947 dessen vollständigen Abriss. Grundlage war der SMAD-Befehl Nr. 209. Der Landeskonservator und engagierte Bürger sprachen sich dagegen aus, konnten den Abbruch jedoch nicht verhindern. Die Maßnahme diente offiziell der Gewinnung von Baumaterial. Bis 1950 wurde die gesamte Schlossanlage abgetragen. Nur die schwer beschädigte Orangerie blieb erhalten.
Eine erste Sicherung der Orangerie erfolgte 1957 durch den Leipziger Architekten Walter Gruner. 1963 wurden die Innenräume ausgebaut, 1969 konnte das Gebäude als Museum und Konzertsaal wiedereröffnet werden. Doch in den 1980er Jahren setzte erneut der Verfall ein. Eine umfassende Sanierung der Orangerie in den Jahren 1991 bis 1998, durchgeführt durch die Stadt Meuselwitz, sicherte dauerhaft die Erhaltung des barocken Bauwerks. Die Haube wurde rekonstruiert, die originale Fassadengliederung wiederhergestellt, technische Infrastruktur dezent eingefügt.
Seit der Sanierung wird der Festsaal der Orangerie kulturell genutzt. Der Ostflügel dient als gastronomischer Bereich.