Im Herzen des thüringischen Altenburger Landes liegt das Wasserschloss Windischleuba, eine ehemalige Wasserburg. Inmitten einer von der Pleiße geprägten Landschaft, unweit der Residenzstadt Altenburg, erhebt sich das heutige Renaissanceschloss mit seinen markanten Ecktürmen, umgeben von einem Wassergraben und einem Park. Die frühesten baulichen Spuren reichen bis in das 10. Jahrhundert zurück. Die Burg entstand vermutlich um das Jahr 925 als militärisch befestigte Anlage zur Kontrolle eines Pleißeübergangs und zum Schutz des nahen Altenburgs. Bereits im 12. und frühen 13. Jahrhundert wird der Ort in Urkunden erwähnt. In einem Zehntverzeichnis des Klosters Bosau findet er 1181 und 1214 als „Luben“ Erwähnung.
Urkundlich tritt der Ort 1244 als Luben minor in Erscheinung, zur Unterscheidung von Luben major, dem heutigen Langenleuba. Als erste bekannte Besitzer der Burg werden Heinrich von Kohren und Hugo zu Stolberg greifbar. In den folgenden Jahrzehnten, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, erscheint zudem ein Ritter Heinrich von Luben in den Quellen, der wohl in besonderer Verantwortung für die Burg stand und möglicherweise auch für die Namensgebung maßgeblich war. Später ging das Lehen auf die Vögte von Weida über und danach auf die Burggrafen von Altenburg. Nach deren Aussterben im Jahr 1329 folgten die Burggrafen von Leisnig als Lehnsherren. Spätere Namensformen wie Wenigenleuben verdeutlichen, dass der moderne Ortsname Windischleuba nicht auf einen slawischen Ursprung verweist, sondern aus der Unterscheidung zweier gleichnamiger Siedlungen hervorging.
Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts befand sich das Anwesen im Besitz der weitverzweigten Familie von der Gabelentz, die auch das benachbarte Schloss Poschwitz innehatte. Hans von der Gabelentz (ca. 1422–1496) begann 1492 mit dem Ausbau der mittelalterlichen Burg zu einem repräsentativen Renaissanceschloss und ließ gleichzeitig die Kirche des Ortes erneuern. Sein Sohn Christoph I. von der Gabelentz, Domherr in Mainz, Meißen und Naumburg, vollendete den Bau 1532. Mit der kursächsischen Neuordnung ging 1538 die landesherrliche Hoheit an das ernestinische Herzogtum Sachsen über. Die Gabelentz wohnten fortan dauerhaft in Windischleuba.
Die Schlossanlage war zu jener Zeit ein funktionierender Herrensitz mit ausgedehntem Wirtschaftshof, Gärten und einer Kapelle, vermutlich im Erdgeschoss des Südflügels. Ein Inventar von 1580 nennt Sebastian II. von der Gabelentz (1562–1616) mit seiner Ehefrau Emerentia von der Gabelentz, geb. von Könneritz, mit seiner Familie und zahlreichen Bediensteten, darunter ein Schreiber, ein Reiter, ein Schneider, eine Käsemutter, mehrere Knechte und Mägde sowie eine Köchin und viele mehr. Sein Vater, Sebastian I. (1505–1575), wird in der Kriegsmatrikel von 1545 als Lehnsmann genannt, der seinem Landesherrn auf der Wendischleuba mit drei Ritterpferden und zwei Langspießern diente. Er war verheiratet mit Barbara Anna von der Gabelentz, geb. von Bünau (1515–1570). Windischleuba war ein wirtschaftlich bedeutsames Rittergut mit weitreichender Gerichtsbarkeit über den Ort und die umliegenden Dörfer.
Im Jahr 1633, während des Dreißigjährigen Krieges, brannte das Schloss mit seinen Wirtschaftsgebäuden nieder. Der Wiederaufbau brachte die Familie in finanzielle Schwierigkeiten, sodass das Gut 1659 an die Fürstliche Kammer in Altenburg überging und als Kammergut verwaltet wurde.
1677 erwarb Georg Ernst von Zehmen (1652–1728) das Rittergut und das Schloss Windischleuba. Ein Jahr später heiratete er Christiane Sophie von Thumbshirn, Tochter des sächsisch-altenburgischen Kanzlers Wolfgang Conrad von Thumbshirn, der am Westfälischen Frieden mitverhandelt hatte. Georg Ernst von Zehmen wurde später Oberhofmarschall und Amtshauptmann in Altenburg, Wachsenburg und Gotha und starb 1728. Das marmorne Grabmal des Ehepaares befindet sich in der Dorfkirche St. Nikolaus.
1739 erwarb Sophie Elisabeth von Zehmen (1688–1763), Tochter von Georg Ernst, den Besitz von ihrem Bruder und ging so in den Besitz der Familie von Lindenau über. Sophie Elisabeth war mit Johann Georg von Lindenau (1677–1728) verheiratet. Die Familie von Lindenau behielt das Rittergut bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Der bedeutendste Vertreter war Bernhard August von Lindenau (1779–1854). Er war Gelehrter, Astronom, Kunstmäzen und sächsischer Staatsminister, studierte Jura, Mathematik und Kameralistik in Leipzig. Er leitete die Seeberger Sternwarte in Gotha, war Minister im Königreich Sachsen und eröffnete 1848 das nach ihm benannte Lindenau-Museum in Altenburg. In Windischleuba ließ er Wirtschaftsgebäude erneuern, ein Stück des Wassergrabens zuschütten und moderne Mühlentechnik einbauen. Die Schlossanlage blieb im Kern erhalten und wurde an zeitgenössische Bedürfnisse angepasst.
1880 übernahm der Jurist, Kammerherr und Gutsbesitzer Börries Freiherr von Münchhausen (1845–1931) aus dem niedersächsischen Moringen das verfallene Rittergut. Er war mit Clementine von der Gabelentz verheiratet. Zu einer besonderen Berühmtheit brachte es ein Vorfahr der Familie: Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen (1720–1797), der als „Lügenbaron“ in die Literaturgeschichte einging. Seine abenteuerlichen Erzählungen, in denen er unter anderem auf einer Kanonenkugel geritten sein soll, machten seinen Namen weltbekannt. Der neue Besitzer, ein Vertreter der romantisierenden Altertumsbewegung, ließ das Schloss bis 1886 umfassend restaurieren, mit besonderem Augenmerk auf die Wiederherstellung der Renaissancefassaden und historischen Formen. Zugleich entstand ein Landschaftspark mit dendrologischen Besonderheiten wie einer Süntelbuche, einer panaschierten Sumpfeiche und einem Silberahorn, der wohl auf Clementine Henriette Pauline Elisabeth Freifrau von Münchhausen (1849–1913) zurückzuführen ist, die nicht nur eine Expertin für mittelalterliche Stickereien, Textilforscherin und Linguistin war, sondern auch eine bekannte Dendrologin.
1920 erwarb der Balladendichter Börries Albrecht Conon August Heinrich von Münchhausen das Gut von seinem Vater und lebte dort mit seiner Ehefrau Anna von Breitenbach. Sie war die wohlhabende Witwe von Heinrich Crusius. Vorher lebte das Ehepaar von Münchhausen auf dem Rittergut Sahlis des verstorbenen Ehemanns. Mit dem Geld wurde auch die weitere Sanierung von Windischleuba finanziert. Der 1874 geborene Schriftsteller war ein engagierter Kulturpolitiker des Nationalsozialismus und stand 1944 auf der sogenannten Gottbegnadetenliste. Der Park diente ihm als Refugium und Inspirationsquelle, das Schloss wurde ein Zentrum seiner literarischen und politischen Arbeit. Kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen beging er im März 1945 Suizid. Seine Frau Anna war kurz zuvor an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben, der einzige gemeinsame Sohn Börries war 1934 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Das Rittergut wurde 1945 enteignet, ein Teil des Inventars wurde nach Altenburg verbracht. Nach der Enteignung des Rittergutes im Zuge der Bodenreform wurde ein Teil des Wirtschaftshofes abgerissen. Bereits am 1. Oktober 1945 erfolgte die Aufteilung von 250 Hektar Land der Familie von Münchhausen an 20 Neubauern, zwei Kleinbauern und einen Gärtner, die später ihr Land in eine LPG einbrachten. Die große Scheune wich 1959/60 einem Kindergarten, der Kuhstall wurde verkleinert und zunächst als Motoren- und Traktorenstation, später als Feuerwehr mit Feuerwehrmuseum genutzt. Die Brennerei verschwand ebenso wie Teile des Hofteiches. Im Wirtschaftsgebäude, das heute privat genutzt wird, entstanden Wohnungen. Das Schloss sollte nach den Vorgaben der sowjetischen Besatzungsmacht geschleift werden, was verhindert wurde, indem ab 1946 ein Internat für Schüler der Erweiterten Oberschule Windischleuba eingerichtet wurde. Dieses bestand bis 1973. Anschließend erfolgten weitere bauliche Anpassungen im Park, darunter ein biologischer Lehrpfad, eine Freilichtbühne, eine Kegelbahn und ein Volleyballfeld.
Die Schlossanlage von Windischleuba bewahrt noch heute die Grundform einer mittelalterlichen Wasserburg. Der Baukörper ruht auf einem trapezförmigen Grundriss, dessen Ursprung in die Zeit des 12. Jahrhunderts zurückgeht. An den vier Ecken stehen runde Wehrtürme, die aus dem frühen Mittelalter stammen. Zwei dieser Türme sind noch von Resten des ehemaligen Wassergrabens umgeben, der ursprünglich eine Breite von rund 15 Metern hatte. Der Zugang erfolgte zunächst über ein Haupttor im Norden, zu dem ein Torhaus gehörte. Ein weiterer Zugang wurde später an der Westseite geschaffen.
Der Hauptflügel des Schlosses erhebt sich über drei Geschosse, während die übrigen Flügel zweigeschossig ausgeführt sind. Die Dächer zeigen verschiedene Formen: Neben dem Satteldach finden sich Walm- und Krüppelwalmdächer. Ein markantes architektonisches Detail ist der Treppenturm mit Zinnenkranz, der bei einem Umbau um 1850 entstand. In dieser Zeit wurden auch weitere Veränderungen im Stil der Neorenaissance vorgenommen. Die Fassaden sind durch Renaissanceformen geprägt. Charakteristisch sind die Staffelgiebel mit viertelkreisförmigen Aufsätzen, die farblich gefassten Fenstergewände sowie Gesimse und Lisenen, die den Bau gliedern. In den Jahren 1882 bis 1883 ließ Freiherr Albrecht von Münchhausen die Anlage um eine offene Galerie erweitern und den Bau modernisieren.
Börries von Münchhausen gestaltete die Innenräume nach historischen Vorbildern und verlieh dem Schloss eine reiche historistische Ausstattung. Der ehemalige Hirschensaal wurde in ein Rokokokabinett und einen Rokokosaal umgewandelt, um Münchhausens Sammlung kostbarer Rokokomöbel zu präsentieren. Passend dazu ließ er Türen, Stuck und Farbgebung nach alten Vorlagen anfertigen. Ein Ofen aus Salzburg, der zerbrochen ankam, wurde in Weimar kopiert, und ein Kronleuchter aus einer Hildesheimer Domherrenkurie sowie chinesische Kunstobjekte ergänzten das Interieur.
Auch die große Halle erhielt eine aufwendige Gestaltung. Nach der Übernahme des Schlosses richtete Münchhausen das Erdgeschoss im Stil der Romanik ein. Hier standen lebensgroße Sandsteinfiguren aus dem 13. Jahrhundert aus dem Dom zu Münster, und die Wände wurden nach dem Vorbild des Münchhausen-Stammsitzes in Loccum bemalt.
Der markante Treppenturm, der das Schloss bis heute prägt, entstand erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts und bereitete wegen des unsicheren Baugrunds immer wieder statische Probleme. Als Münchhausen das Schloss übernahm, war er bereits stark geneigt und beschädigt. Im Zuge der Restaurierung erhielt er Zinnen im Stil der Burgenromantik, und die Wetterfahne trägt die Jahreszahl 1881.
Darüber hinaus ergänzte Münchhausen repräsentative Elemente wie einen mit Sandsteinsäulen geschmückten Übergang zwischen den Hauptgebäuden, einen Aussichtserker und einen kleinen viereckigen Turm. Die Fußböden gestaltete er symbolisch in den Wappenfarben seiner Familie und seiner Frau.
Seit 1977 befindet sich im Schloss eine Jugendherberge mit musikalischer Ausrichtung. Die kontinuierliche öffentliche Nutzung trug wesentlich zum Erhalt des Gebäudes bei. Der geschlossene Bauernhof des vorderen Ritterguts wurde 2005 und 2006 trotz denkmalschutzrechtlicher Bedenken abgerissen. Das Schloss Windischleuba wird weiterhin als Jugendherberge genutzt. Der Landschaftspark ist heute öffentlich zugänglich und beherbergt neben altem Baumbestand auch Erinnerungen an das einstige Leben der Familie von Münchhausen.