Schloss Wackerbarth @ Historische Häuser

Schloss Wackerbarth in Sachsen

Mitten in der historischen Weinberglandschaft von Radebeul erhebt sich Schloss Wackerbarth, ein barocker Alterssitz, der einst den Namen Wackerbarths Ruh trug. Umgeben von Rebhängen und einer streng gegliederten Gartenanlage ist es heute das erste Erlebnisweingut Europas.

Die Entstehung des Anwesens ist eng mit dem Leben des Reichsgrafen August Christoph von Wackerbarth (1662–1734) verbunden. Er wurde am 22. März 1662 auf Gut Kogel im Herzogtum Sachsen-Lauenburg geboren, entstammte einem alten lauenburgischen Adelsgeschlecht und trat 1685 in den Dienst des Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsen. Als militärisch geschulter Offizier nahm er an den großen Kriegen seiner Zeit teil, darunter am Pfälzischen Erbfolgekrieg und am Großen Türkenkrieg. Unter August dem Starken stieg er zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Kurfürstentums Sachsen auf: Er war Generalfeldmarschall, Kabinettsminister und Chef des Ingenieurkorps.

Als faktischer Bauminister und Leiter des kurfürstlichen Bauwesens war Wackerbarth maßgeblich am barocken Ausbau Dresdens beteiligt. Zeitgenossen nannten ihn den „Regisseur des Dresdner Barock“. Unter seiner Ägide wirkten große Architekten wie Matthäus Daniel Pöppelmann und Zacharias Longuelune. Einer seiner wichtigsten Schützlinge war Johann Christoph Knöffel (1686–1752), der später den Stil des sächsischen Rokoko prägte.

Bereits 1710 begann er, erste Grundstücke in der Naundorfer Flur zu erwerben. 1727 folgte der Kauf der Bischofsberge, auf denen er seinen Altersruhesitz plante. Zwischen 1727 und 1730 entstand nach den Entwürfen des sächsischen Oberlandbaumeisters Johann Christoph Knöffel (1686–1752) eine barocke Gutsanlage, die Wackerbarth Wackerbarths Ruh nannte.

Das Schloss ist ein zweigeschossiger Putzbau mit elf zu zwei Fensterachsen und einem hohen, mit Schiefer gedeckten Walmdach. Auf dem First sitzen vier Schornsteine. Die Straßenfront wird durch einen dreiachsigen Mittelrisalit betont, der mit einem Mansarddach abschließt und von Dachgauben durchbrochen wird. Die Fassade ist durch horizontale Gesimse gegliedert, die Fenster sind von Putzfaschen eingefasst. Vor der Mittelachse befindet sich ein französischer Balkon über den rundbogigen Gartentüren, die von einer breiten Freitreppe erreicht werden. Darüber liegt ein Wappenfeld. Die Dachflächen sind mit Dreiecks- und Segmentbogengauben versehen.

Zur Bergseite springt ein Mittelrisalit vor, dessen Altan auf vier Pfeilern ruht. Über dem Altan erhebt sich ein Zwerchhaus mit Dreiecksgiebel. Die Seitenfronten zeigen geschlossene Altane. Im Inneren blieben die historische Raumdisposition und der Gartensaal erhalten. Das Vestibül und die doppelläufige Treppe erschließen das Obergeschoss. Die Ausstattung ging verloren, doch die Raumstruktur ist noch ablesbar.

Die Gartenanlage ist streng axial komponiert und erstreckt sich vom Tor an der Meißner Straße bis zum Belvedere. Ein Wasserbecken mit hoher Fontäne betont den Mittelteil, beidseits rahmen geschnittene Hecken und Rasenflächen den Blick. Der Aufgang zum Belvedere erfolgt über eine Freitreppe mit Buchsbaumkegeln, flankiert von den Sandsteinfiguren Bacchus und Venus.

Das Belvedere ruht auf einer hohen Substruktionsmauer, die mit Muschelnischen und einem Wandbrunnen geschmückt ist. Eine Inschrift mahnt: „Menschengeschlechter ziehen vorüber wie die Schatten vor der Sonne.“

Der Pavillon selbst ist ein Achteckbau mit Zeltdach, Laterne und kupferner Bekrönung, die von einer Kuppel abgeschlossen wird. Zum Tal öffnet sich eine Lukarne mit Uhr. Das Innere zeigt Malereien aus der Wiederaufbauzeit um 1885, darunter Akanthusornamente und Grisaillemalerei.

Der Graf war dreimal verheiratet, unter anderem mit Sophia von Gersdorff, Charlotte Justine von Flemming sowie mit Katharina von Wackerbarth-Salmour, geborene Balbiano di Colcavagno, verwitwete Markgräfin von Brandenburg. Vier Jahre nach seiner Ernennung zum Generalfeldmarschall verstarb er 1734.

Sein Adoptiv- und Stiefsohn Joseph Anton Gabaleon Graf von Wackerbarth-Salmour (1685–1761) trat das Erbe an. Er stammte aus einer piemontesischen Adelsfamilie und trug nach der Adoption den Doppelnamen Wackerbarth-Salmour. Der Staats- und Kabinettsminister nutzte das Schloss als Landsitz. Da er unverheiratet blieb, bestimmte er testamentarisch, dass das Gut zugunsten Dresdner Witwen und Waisen versteigert werden sollte. Die Versteigerung fand 1761 statt.

Im Schloss verstarb 1768 der Minister und Geheime Rat Carl August Graf von Rex (1712–1768). Später übernahm der Dresdner Bankier Christian Friedrich von Gregory (1756–1817) den Besitz, dem auch das Haus Sorgenfrei gehörte. Seit 1799 zählten der Jacobstein und der Weinberg Fliegenwedel zur Anlage.

Mit dem 19. Jahrhundert begann eine wechselvolle Phase. August Josef Ludwig von Wackerbarth (1770–1850), Historiker und Kunstsammler und ein Urgroßneffe des Erbauers, erwarb das Schloss 1808 oder 1809. Nach seinem Konkurs 1816 wurde Wackerbarths Ruh Sitz einer Knabenerziehungsanstalt unter Carl Lang. Ab 1819 unterrichtete Johann Peter Hundeiker, später führte Carl Vogel, der Schwiegersohn Langs, die Einrichtung weiter. 1824 kaufte der Raugraf den Besitz zurück.

Ab 1835 richtete Friedrich Gustav Bräunlich (1791–1877) eine Heilanstalt für Geisteskranke ein, die 1845 nach Neucoswig verlegt wurde. Nach der größten Ausdehnung des Anwesens um 1840 kam es 1846 zur Versteigerung. Neuer Eigentümer wurde Gustav Leopold Zembsch, danach nutzte Dr. Matthiae die Gebäude bis 1864 wieder als Anstalt. 1869 folgte eine Zwangsversteigerung an Friedrich Wilhelm Weinert. 1872 übernahm der sächsische und preußische Staatsmann Albert von Carlowitz (1802–1874) den Besitz und verstarb 1874 im Schloss.

Anschließend gelangte die Anlage an Caroline von Tümpling, danach an den preußischen Generalmajor von Tümpling. Später führte Adolf von Tümpling (1842–1920), Freiherr und Rittmeister, das Gut. Unter seiner Verantwortung erfolgte 1875 ein tiefgreifender Umbau im Stil der italienischen Renaissance nach Plänen des Leipziger Baumeisters Friedrich Louis Winkler (1837–1888).

1882 trat Johann Georg Theodor Grässe (1814–1885), Historiker und Hofrat, als neuer Eigentümer auf. Die Familie Grässe behielt den Besitz bis 1902, anschließend kam es zur Zwangsversteigerung. Es folgten Ludwig Friedrich Matthis, Alexander Schuster und die Sparkasse von Oederan als Eigentümer.

Im Jahr 1916 kaufte der Fabrikant Georg Heinsius von Mayenburg (1865–1934) das Schloss. Bis 1923 ließ er den Bau rebarockisieren und den neorenaissancehaften Risalit beseitigen, orientiert an den ursprünglichen Entwürfen des Oberlandbaumeisters Knöffel. Nach der Zwangsverwaltung übernahm 1931 die Sächsische Staatsbank, 1933 folgte die Dresdner Bank.

Während der NS-Zeit wurde das Schloss ab 1937 als Reichsführerschule des Reichsarbeitsdienstes genutzt und ab 1940 als Reservelazarett. Nach Kriegsende diente das Schloss zunächst militärischen Zwecken. Am 8. Mai 1945 fand hier eine Konferenz sowjetischer Offiziere und deutscher Politiker statt, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Kurz darauf übernahm die Rote Armee das Anwesen, das bis 1950 zusätzlich eine Poststelle beherbergte. Anschließend wurde die Anlage der Volksbildung übergeben. In den Gebäuden richtete man eine Schule und ein Internat für Kinder des Markos-Heimverbunds ein, später folgte eine Unterbringung nordkoreanischer Jugendlicher.

1958 begann eine neue Phase mit der Übernahme durch den VEB Weinbau Radebeul. In den Jahren 1967 bis 1969 entstand auf dem Gelände eine moderne Wein- und Sektkellerei. Zwischen 1974 und 1977 wurde das Schloss umfassend renoviert, ebenso Teile der Gartenanlage.

Nach der politischen Wende 1990 erfolgte die Umwandlung in die Weinbau Radebeul GmbH, 1992 übernahm der Freistaat Sachsen das Anwesen. Eine grundlegende Sanierung leitete den Wandel zum kulturellen Zentrum ein. 2002 öffnete Schloss Wackerbarth als erstes Erlebnisweingut Europas

Die heutige Erscheinung des Schlosses folgt den barocken Formen, wie sie Johann Christoph Knöffel entwarf. Bei der Rebarockisierung im frühen 20. Jahrhundert wurden die Fassadengliederung, Gesimse und Altane in Anlehnung an den Ursprungszustand wiederhergestellt.

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